© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/19 / 15. März 2019

Umwelt
Grönland-Reben
Volker Kempf

Die Frage, wann und wo erstmals Wein gekeltert wurde, weiß auch Bruno Götz in seinem Klassiker „Wein und Kultur“ nicht zu beantworten. Ob die Geistesgeschichte von dem göttlichen Getränk beeinflußt wurde, muß ebenso dahingestellt bleiben. Sicher ist inzwischen aber: Vor 30 bis 40 Millionen Jahren, im Eozän, wuchs die Wildrebe in Grönland und Island. Damals herrschten dort klimatische Verhältnisse wie in jüngerer Zeit in den Subtropen. Im Mittelalter wuchs die in der Antike kultivierte Kulturrebe in den südlichen Teilen von Norwegen und Schweden, vermutlich für kultische Zwecke. Im 13. Jahrhundert gab es auch Weingärten in Dänemark, die zu Klöstern gehörten. Entsprechend dehnte sich auch in Deutschland der Weinbau in den nördlichen Regionen aus, etwa im 14. Jahrhundert in Ostpreußen. Alte Straßennamen legen davon noch Zeugnis ab.

Der Klimawandel könnte den Weinanbau wieder zurück in den Norden bringen.

Götz, langjähriger Direktor  des Weinbauinstituts Freiburg, sah den Weinbau über Franken nach Pommern kommen. Mecklenburg und Schleswig-Holstein verfügten nach schriftlichen Belegen im 16. Jahrhundert über Rebanlagen. Ein bedeutendes Weinbaugebiet war die Mark Brandenburg. Um 1300 verfügten mindestens 42 brandenburgische Gemeinden über Weinanbau, beachtliche Mengen märkischer Weine wurden nach Osten und Norden exportiert. Der Höhepunkt des brandenburgischen Weinanbaus war unter dem Markgrafen Joachim I. Nestor (1499–1535) erreicht. 1862 gab es in der Mark noch 1.146 Hektar Rebfläche, von denen aber nur etwa die Hälfte unter Ertrag stand. Götz führte das auch auf Konkurrenzprodukte wie Bier und Tee zurück. Aber nicht nur aus dem Norden zog sich der Weinanbau zunehmend zurück, auch aus Höhenlagen von einst annähernd 800 Metern. Villinger Wein, das war einmal. Mit dem ansonsten eher problematischen Klimawandel könnte sich das aber wieder ändern.