© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/19 / 22. März 2019

Ländersache: Niedersachsen
Das kommt in den besten Familien vor
Christian Vollradt

Nun wird sie also – vorerst – doch nicht verkauft, die Marienburg. Ernst August (junior) Prinz von Hannover, derzeitiger Eigentümer des Schlosses, hatte mitgeteilt, dies auch bleiben zu wollen. So lange jedenfalls, bis ein „für alle Parteien rechtssicherer und gangbarer Weg“ gefunden sei. Sein Ziel sei, „Schloß und Inventar so bald wie möglich in eine gemeinnützige Stiftung zu überführen“, schrieb der 35jährige Erbprinz in einer Stellungnahme.

Im Herbst vergangenen Jahres hatten sich er und der niedersächsische Kulturminister Björn Thümler (CDU) vertraglich darauf geeinigt, daß die Liemak Immobilien GmbH, eine Tochter der landeseigenen Klosterkammer, die Marienburg übernimmt – für den symbolischen Preis von einem Euro (JF 50/18). Für die dringend notwendige Sanierung wollte Niedersachsen dann mehr als 13,6 Millionen Euro bereitstellen, noch einmal die gleiche Summe sollte vom Bund kommen. Doch die beiden Vertragspartner hatten die Rechnung ohne einen Dritten gemacht, Ernst August senior. Der hatte die Burg sowie dazugehörige Ländereien bei Pattensen zwar schon 2004 auf den Erstgeborenen übertragen lassen. Nun aber wirft er ihm „groben Undank“ vor – und spricht ihm das Recht ab, das Schloß zu veräußern. 

Hintergrund der väterlichen Intervention soll jedoch weniger der Wunsch, die Marienburg zu behalten, sein; vielmehr gehe es um Ländereien in Österreich. Der Kampf um den Besitz im niedersächsischen Stammland sei also nur Mittel zum Zweck. Kulturminister Thümler hält es indes weiter für eine Pflicht des Landes, die Marienburg dauerhaft für die Öffentlichkeit zu sichern. Allerdings muß der Christdemokrat die Befindlichkeiten der Steuerzahler mitberücksichtigen. Sein Klosterkammer-Modell stieß auch in den eigenen Reihen nicht auf ungeteilte Zustimmung. 

Daß der Segen im Hause Hannover derart schief hängt und der innerfamiliäre Konflikt vor aller Augen ausgebreitet wird, mag viele verwundern. Historisch versierte Beobachter verweisen indes gern auf eine lange Tradition. Denn wenn die Welfen, immerhin Europas angeblich ältestes Adelsgeschlecht, eines über die Jahrhunderte immer wieder mit Ausdauer betrieben haben, dann war es der Zoff untereinander; der nicht selten in einen veritablen Krieg zwischen den miteinander verfeindeten Linien führen konnte. So schon, um ein willkürliches Beispiel zu nennen, vor ziemlich genau einem halben Jahrtausend in der Hildesheimer Stiftsfehde, als sich die Vertreter der Braunschweig-Calenbergischen Linie mit denen der Lüneburgischen beharkten. Blutiger Höhepunkt, die Schlacht bei Soltau im Jahre 1519, von der es heißt, sie sei die letzte Ritterschlacht gewesen.  

Oder noch 1866, als in der Schlacht bei Langensalza die mit Österreich verbündeten Hannoveraner auf die pro-preußischen Braunschweiger trafen – und nach anfänglichen Erfolgen doch verloren. Und selbst in neuerer Zeit brach unter der weiß-gelben Flagge sogar zwischen engsten Angehörigen heftiger Streit aus. So etwa im Fall des Vaters beziehungsweise Großvaters der beiden derzeitigen Streithähne; der lag mit seiner Mutter, der Kaisertochter und letzten Braunschweiger Herzogin Victoria Luise so über Kreuz, daß sie schließlich die Marienburg verließ und eine Wohnung in ihrer früheren Residenzstadt bezog.