© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/19 / 22. März 2019

Grütters wackelt
Fall Knabe: Der weiter schwelende Streit um die Entlassung des Leiters der Stasi-Gedenkstätte befeuert einen Machtkampf in der CDU
Jörg Kürschner / Christian Vollradt

Während sich das Bewerbungsverfahren für die Nachfolge von Ex-Gedenkstättendirektor Hubertus Knabe konkretisiert, dürfte dessen Entlassung als langjähriger Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen die Politik noch einige Zeit beschäftigen. Aufgrund des sich zuspitzenden Machtkampfes in der Berliner CDU stockt die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. „Die CDU soll endlich über ihren Schatten springen und für eine geschlossene Oppositionsfront gegen den rot-rot-grünen Senat sorgen“, forderte der in der AfD für die Erinnerungspolitik zuständige Abgeordnete Martin Trefzer im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Nach dem Ausscheiden des Antikommunisten Knabe befürchtet der Parlamentarier ein „Schönreden der SED-Diktatur“.  

AfD und FDP hatten sich schon vor Monaten für einen Untersuchungsausschuß ausgesprochen, da sie die Antworten des Kultursenators Klaus Lederer (Linke) auf deren parlamentarische Fragen als nichtssagend und verschleiernd empfanden. Darüber klagte auch die CDU, die größte Oppositionsfraktion, schreckte aber vor der Einsetzung eines solchen Gremiums zurück. Fraktionschef Burkard Dregger, ein Sohn des legendären nationalkonservativen CDU-Bundespolitikers Alfred („Django“) Dregger, wollte einen Ausschuß verhindern, um seine Landeschefin Monika Grütters vor unangenehmen Fragen zu schützen. Die Kulturstaatsministerin hatte nämlich im Stiftungsrat der Gedenkstätte den Rauswurf des bei den Linken verhaßten Knabe im Einvernehmen mit dem Linken Lederer ins Werk gesetzt. 

Die Anti-Knabe-Allianz könnte Grütters ihr Amt kosten. Der Bundestagsabgeordnete Kai Wegner will sie herausfordern und ihr auf dem Landesparteitag im Mai den Vorsitz streitig machen. Auch der frühere Innensenator Frank Henkel hatte sich offen für einen Untersuchungsausschuß ausgesprochen. Der Verdacht hält sich, Knabe sei aus politischen Gründen gekündigt worden. 

Gegenwind für Grütters in eigener Partei nimmt zu

Dregger war bald in seiner eigenen Fraktion ins Hintertreffen geraten und mußte schließlich einem Untersuchungsausschuß zustimmen, beantragt von der CDU. Zu groß war die Gefahr geworden, CDU-Parlamentarier könnten dem von der FDP formulierten und von der AfD unterstützten Antrag zur Mehrheit verhelfen. Vergeblich hatte Grütters die Abgeordneten der CDU-Fraktion vor einem Ausschuß gewarnt („nicht nützlich für die CDU“), konnte sich aber nicht durchsetzen. Der Streit in ihrer Partei über Knabe sei rational „nur noch schwer zu fassen“.

Seitdem sind vier Wochen vergangen, ohne daß ein Einsetzungsantrag der CDU vorliegt. Das Berliner Abgeordnetenhaus könnte frühestens auf seiner Sitzung am 4. April darüber befinden.  Trefzer stellt sich auf eine Hängepartie ein, zumal das Verwaltungsgericht Berlin den Kultursenator auf Antrag des Tagesspiegel verpflichtet hat, Auskunft über Höhe der Abfindung und begleitende Vereinbarungen mit Knabe zu geben. Der Beschluß ist noch nicht rechtskräftig, kann vom Senat vor dem Oberverwaltungsgericht angefochten werden. Lederer, der kraft Amtes auch Vorsitzender des Stiftungsrats der Gedenkstätte ist, und Knabe hatten im Dezember vor dem Landgericht einen Vergleich geschlossen und damit den Rechtsstreit um dessen Abberufung durch den Stiftungsrat beendet. Über die Höhe der Abfindung wurde bis heute nichts bekannt. Das fünfköpfige Gremium hatte die überraschende Beurlaubung des Gedenkstättendirektors damit begründet, dieser sei nicht energisch genug gegen sexistisches Verhalten seines Stellvertreters Helmuth Frauendorfer vorgegangen. 

Knabe hatte die Vorwürfe ebenso wie Frauendorfer stets bestritten. „Wir räumen überhaupt keine sexuellen Übergriffe ein, die hat es auch nicht gegeben“, sagte Frauendorfers Anwalt vor dem Berliner Arbeitsgericht. Dem Vernehmen nach werden dem geschaßten Vizedirektor zwischen 2011 und seiner Kündigung 2018 von neun Frauen sexuelle Belästigungen und Übergriffe vorgeworfen. Mit seiner Kündigungsschutzklage will der einstige Knabe-Vize eine Weiterbeschäftigung in der Gedenkstätte erreichen. Einen vom Richter vorgeschlagenen Vergleich hat der Anwalt Frauendorfers vehement abgelehnt. Die Folgeverhandlung ist wegen der Terminnot des Gerichts erst im September geplant. Bis dahin soll die Nachfolge von Knabe geregelt sein. Derzeit liegen 26 Bewerbungen vor.

Unterdessen hat der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, vergangene Woche bei der Vorstellung seines Tätigkeitsberichtes eine Stellungnahme zu den Vorgängen rund um die Gedenkstätte Hohenschönhausen abgelehnt. Darüber werde zuviel „auf der Basis von Gerüchten geredet, mancher solle sich zunächst erst einmal informieren“, kritisierte der frühere DDR-Bürgerrechtler vor Journalisten in der Bundespressekonferenz. Er wolle deswegen lieber „schweigen und mich auf meinen gesetzlichen Auftrag beschränken“, so Jahn. 

Jahn stellte dabei den Fahrplan für die Überführung seiner Behörde unter das Dach des Bundesarchivs vor. Dort bleibe das Stasi-Unterlagen-Archiv eigenständig, die besonderen Zugangsregeln sollen gelten bleiben. Durch die Bündelung könne man „die langfristige Sicherung der Akten gewährleisten“. Auf dem Gelände der ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg soll ein „Kompetenzzentrum“ aufgebaut werden. Dort würden dann auch die Bestände der zentralen DDR-Behörden, das Archiv der SED sowie der Massenorganisationen der DDR und die Bibliothek der Stiftung Partei- und Massenorganisationen der DDR untergebracht werden. Die Außenstellen der Stasi-Unterlagenbehörde in den Ost-Bundesländern sollen bestehen bleiben, allerdings auf einen Archivstandort pro Bundesland reduziert werden.