© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/19 / 22. März 2019

Hey Boß, ich brauch’ mehr Geld
Koalition: Angesichts knapper werdender Kassen knirscht es zusehends zwischen den Regierungspartnern / Verteidigungshaushalt wächst weniger als geplant
Paul Leonhard

Ursula von der Leyen scheint die Kröte geschluckt zu haben: Zwar darf am Segelschulschiff „Gorch Fock“ weiter gebaut werden, die Verteidigungsausgaben steigen aber nicht in der Höhe, wie es sich die Bundesverteidigungsministerin erhofft hatte: von derzeit 43,2 nicht auf 47,2 Milliarden 2020, sondern lediglich um 1,5 Milliarden Euro. 

Ohne Klotzen bleibt die Bundeswehr ein ungelöster Sanierungsfall und zwar ein so schlimmer, daß der jährliche Bericht zur Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erstmalig als geheim eingestuft wurde und einen Tag später die Bild-Zeitung genüßlich aus ihm zitierte: Danach waren 2018 beispielsweise von 142 Transport- und von 53 Kampfhubschraubern „Tiger“ lediglich 34 bzw. 12 nutzbar. 

Etwa 70 Prozent der großen Waffensysteme seien einsatzbereit gewesen, versicherte Generalinspekteur Eberhard Zorn. Im Klartext: Gegenüber dem Ist-Zustand 2014 hat sich nichts verbessert, obwohl im Koalitionsvertrag dem Militär „mehr Personal, beste Ausbildung und moderne Ausstattung“ versprochen worden war.

Auch die Zusagen gegenüber dem Bündnis zählen nicht mehr. Hatten die Nato-Staats- und Regierungschefs 2014 vereinbart, ihre Verteidigungsausgaben binnen eines Jahrzehnts „Richtung zwei Prozent“ der Wirtschaftsleistung zu steigern, so hat sich die Bundesregierung vergangene Woche von der zugesagten Quote verabschiedet: „Wir wollen bis 2024 das Ziel erreichen, 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben“, erklärte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) nach einer Sitzung des Koalitionsausschusses.  

Die Bundesregierung richtet den Haushalt nicht nur auf die prognostizierte schwächer werdende Konjunktur – Prognosen sehen die Steuereinnahmen bis 2023 um 27 Milliarden Euro unter den Erwartungen der Herbstschätzung 2018 –, sondern auch auf drohende Handelskriege und auf den Brexit. Mit dem Ausstieg Großbritanniens aus der EU wird Deutschland endgültig zum Zahlmeister Europas. 

Gleichzeitig sind beide Koalitionspartner darauf bedacht, ihren potentiellen Wählern möglichst viel zu versprechen und – mit Blick auf die lästigen Nachfragen der AfD – den Menschen wenigstens einigermaßen glaubhaft darzustellen, wie sie ihre geplanten Ausgaben finanzieren wollen.

„Über die Grenzen           des Machbaren hinaus“

Als Faß ohne Boden könnte sich der von Umweltministerin Svenja Schulze erarbeitete Entwurf eines Klimaschutzgesetzes erweisen. Die Sozialdemokratin hat darin festgelegt, wieviel Treibhausgase in einzelnen Bereichen wie Verkehr oder Gebäude einzusparen sind. Ein mit verschiedenen Ministern besetztes „Klimakabinett“ soll die Gesetze für die Umsetzung der Klimaschutzziele für 2030 vorbereiten, damit diese noch 2019 verabschiedet werden können. 

Der beschleunigte Kohleausstieg und die Klimaschutzziele im Verkehrssektor würden die Wirtschaft „an die Grenzen des Machbaren und darüber hinaus führen“, warnt Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) in der Rheinischen Post. 

Immerhin hat sich Bundeskanzlerin Merkel zu einem klaren Bekenntnis zur deutschen Automobilindustrie durchgerungen: Deutschland solle als weltweit führenden Standort der Automobilindustrie gesichert werden und Vorreiter bei moderner Mobilität sein. Prioritäten sollen Infrastruktur, Investitionen und Innovationen haben, sagt Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU). Im Haushaltsentwurf sind aber beispielsweise nur 2,4 der insgesamt 17 Milliarden Euro eingestellt, mit denen digitale Netze ausgebaut und Schulen ausgestattet werden sollen. Auch beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) zeigt sich die Regierung knauserig. Merkel fordert hier „europäische Strategien“, der Etat sieht aber lediglich 500 Millionen Euro vor.

Während CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt mehr „Wachstums-impulse und weniger Sozialstaatsdebatten“ fordert, hausiert die SPD gerade mit ihrem neuen Sozialstaatskonzept und hat damit ihre Umfragewerte leicht verbessert: von 16 auf 19 Prozent. Daß Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) allerdings die Kosten für die Integration von Asylbewerbern und Wirtschaftsflüchtlingen auf 1,3 Milliarden Euro begrenzen will, läßt CSU-Chef Markus Söder protestieren. 

Der Bayerische Ministerpräsident verteidigt die Forderung der Länder nach einer Zuweisung von 4,7 Milliarden Euro. Ohne großzügig gewährte Integrationszuschüsse müßten die Kommunen in Schulen und Kindergärten ihre Integrationsleistungen reduzieren, was „ein echter Rückschritt für die Integration in Deutschland“ wäre.