Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die deutsche Automobilindustrie im vergangenen Jahr Geschichte geschrieben. Erstmals wurden mehr Fahrzeuge von den Herstellern aufgrund technischer Mängel in die Werkstätten zurückgerufen als an Neuzulassungen zu verzeichnen waren. 3,7 Millionen Autos galt es nachzubessern, und wer meint, daß dies wohl vor allem der Umwelthysterie geschuldet sein dürfte, der irrt: Gerade einmal 218.000 Fahrzeuge mußten auf die Hebebühne, weil ihre Emissionen nicht so waren wie sie sein sollten. Bemerkenswert ist, daß sich die Zahl der Rückrufe in nur sieben Jahren verdreifacht hat. Das Bemühen der Deutschen um Deindustrialisierung trägt erste Früchte. Doch es gibt auch weitere Erklärungen für den Trend. Zum einen spornt die naturgegebene Risikoscheu der Deutschen ihre Behörden an, die Anforderungen an die Sicherheit von Produkten immer mehr zu verfeinern. 

Die Hersteller haben den Spaß am Autobauen verloren, was man den Produkten leider anmerkt. 

Raum und Zeit sind voller Gefahren. Da kann eine Menge passieren, und daher ist es besser, man geht auf Nummer Sicher und formuliert hundert überflüssige Auflagen als eine einzige, die notwendig wäre, zu unterlassen. In einem derartigen Klima der Angst kann kein Produzent allen Sicherheitsbedenken, die irgend jemand äußern könnte, Rechnung tragen. Zum anderen haben die Fahrzeughersteller den Spaß am Autobauen verloren, und das ist ihren Produkten leider anzumerken. Die großen Marken schrauben nur noch zusammen, was sie bei ihren Zulieferern zusammenkaufen. Eigenleistung, die Markenidentität rechtfertigen könnte, gibt es kaum noch. Nicht mehr das eigentliche Fahrzeug, sondern die Software steht im Mittelpunkt. Der Autofahrer von heute ist ein ergrauender Angsthase. An seinem Neuwagen interessieren ihn nicht Geschwindigkeit und rasantes Design, sondern niedriger Treibstoffverbrauch und komfortable Assistenzsysteme. Für solche Kunden soll man Autos produzieren? Diesen Langweilern, deren ganze Hoffnung sich darauf richtet, am Steuer die Augen schließen zu können, geschieht es recht, wenn man ihren Wagen vorübergehend aus dem Verkehr zieht.