© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/19 / 22. März 2019

Darwin und Foucault
Zwei große Denker beleuchten einander
Mathias Pellack

Wenn ein Experiment gelingt, kann der Forscher frohlocken. Dabei waren die Ausgangsbedingungen denkbar ungünstig. Der Experimentator – hier Philipp Sarasin, Professor für neuere allgemeine Geschichte an der Universität Zürich – beginnt sein umfangreiches Werk über Darwin und Foucault folgendermaßen: „Wie zwei korrosive Säuren, die man unter Laborbedingungen zusammenrührt, um eine chemische Reaktion auszulösen, sollen zwei Autoren miteinander in Verbindung gebracht werden.“ Und müßte schon enden. Denn entgegen der allgemeinen Erwartungen, daß alles unter großem Zischen und Blubbern hochgeht, passiert im Labor nichts.

Und doch benutzt der Schweizer auch bei der Neuauflage des vor zehn Jahren zum ersten Mal erschienenen Buches dieses Bild weiter, um seinen Versuch vorzuführen. Was bewiesen werden soll: „Foucault stammt von Darwin ab.“ Und er beginnt zu vergleichen. Damit erinnert Sarasin mehr an einen Naturwissenschaftler, der zwei Käfer vergleicht und prüft, ob sie denn zur gleichen Art gehörten.

Bein für Bein, Fühler für Fühler nimmt er Darwins Evolutionsthese und prüft sie im Gegenlicht von Foucaults Geschichtsphilosophie, stellt Darwins praktischen Nominalismus bei der Bezeichnung der Arten – letztlich seien dies gruppierte Individuen – gegen Foucaults Rekonstruktion biologischer Texte – die um 1800 eine erkenntnismäßige Hinwendung zum Individuum aufzeigen.

Immer nahe am Ursprungstext, verwendet Sarasin viele Metaphern  wie „(Die neue Erkenntnis) hat ihn getroffen wie ein Blitz, der eine Landschaft erhellt.“ Der Autor bringt die toten Denker so zu neuem Leben. Er behält aber im Bewußtsein, wie problematisch es ist, so bilderreich zu schreiben. „Entscheidend sei die Einsicht, daß funktionierende Metaphern nicht durch eine ‘realistische’ Formulierung ersetzt werden können, weil sich nur durch solche ‘unscharfen Begriffe’ ein vorerst unklar erkanntes Neues sprachlich fassen läßt.“

So zusammengebracht, fügen sich die beiden ätzenden Denker wie Salz- und Salpetersäure zum Königswasser (eine Säure, die auch die Edelmetalle wie Gold und Platin zu lösen vermag). Beide sind durch den anderen noch schärfer – zumindest zu erkennen.

Philipp Sarasin: Darwin und Foucault. Suhrkamp, Berlin 2019, broschiert, 456 Seiten, 20 Euro