© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/19 / 29. März 2019

Die schützende Hand der Partei
Mit „breiten Bündnissen“ ist der Weg in die rote Republik gepflastert: In der SPD schwinden die Berührungsängste zu Antifa und Konsorten
Michael Paulwitz


Das Diktum „Im Kampf gegen Rechts braucht die SPD auch die Antifa“ hat vergangenen September nicht irgend jemand im SPD-Parteiorgan Vorwärts aufgeschrieben, sondern Angela Marquardt höchstpersönlich, seit 2006 enge Mitarbeiterin im Büro der mittlerweile zur Partei- und Fraktionschefin aufgestiegenen Abgeordneten Andrea Nahles. Marquardt ist Geschäftsführerin des Arbeitskreises Denkfabrik der SPD, deren Mission die ideologische Vorbereitung eines linken Regierungsbündnisses aus Sozialdemokraten, Grünen und SED-PDS-Linke ist.

Letztere hat Marquardt von der Pike auf durchlaufen, von der IM-Verpflichtungserklärung als 15jährige kurz vor dem Untergang der DDR bis zum PDS-Bundesvorstandsmitglied und zur Bundestagsabgeordneten von 1998 bis 2002. 2008 war die gewendete Kommunistin, die 1995 den linksextremen Brandanschlag auf die Druckerei der JUNGEN FREIHEIT als „legitim“ gerechtfertigt hatte, der SPD beigetreten.

Zur Architektin einer „Volksfront“-Strategie – heute spricht man von „breiten Bündnissen“, wenn kommunistische Kader andere für ihre Zwecke einspannen – ist sie mit dieser Vita geradezu prädestiniert. Für solche Bündnisse plädiert auch Angela Marquardt in ihrem programmatischen Text. Ihre demonstrative Ablehnung von Gewalt und Absage an „Bündnisse mit gewaltbereiten Schlägern“ ist wohl eher Alibi-Fassade, wenn sie im gleichen Atemzug militante Linksextremisten als „junge Antifas oder Antideutsche“ verharmlost, die „nicht immer den Ton und die richtige Formulierung“ träfen.

Marquardt antwortet mit ihrem Aufruf auf den Beitrag einer SPD-Funktionärin aus Chemnitz, der der Demonstrations-Tourismus militanter Antifa-Gruppen in ihrer Heimatstadt Unbehagen bereitete. Man solle nicht „den Falschen die Hand reichen“, bloß weil es „gegen Rechts“ gehe. Offensichtlich gibt es in der SPD also eine Bruchlinie zwischen mit Linksextremen paktierenden Ideologen und Pragmatikern, bei denen der Draht zur gesellschaftlichen Mitte noch nicht abgerissen ist; wobei die Pragmatiker zunehmend in die Defensive zu geraten scheinen.



Die Jusos im Schulterschluß mit Linksextremisten

Ein Beispiel für die Bündnisstrategie: Im Vorfeld des Hamburger G20-Gipfels veranstalteten die „Falken“ in Regensburg mit örtlichen „Antifa“-Gruppen, KPD und weiteren Linksextremisten einen „Workshop“, um unter anderem das Verhalten von Demonstranten gegenüber der Polizei, die Störung und Blockade „rechter“ Veranstaltungen und die Verhinderung von Abschiebungen zu üben. Indirekt gefördert von der Stadt, die – wie JU und CSU im nachhinein kritisierten – die „Falken“ jährlich mit einem Mietzuschuß fördert.

Kein Einzelfall. Gerade in SPD-regierten Städten werden sogenannte „autonome“ linke Zentren nicht nur geduldet, sondern häufig auch zumindest indirekt finanziell begünstigt. Die „Rote Flora“ in Hamburg, die besetzten Häuser in Berlins Rigaer Straße (JF 41/18) oder das Leipziger „Conne Island“ sind die bundesweit bekanntesten Beispiele. Nicht zu vergessen aber auch das „La Datscha“ als subversiver Treff im chronisch rot regierten Potsdam.

„Antifa“-Gruppen und militante Linksextreme nutzen diese Zentren gerne als Rückzugsräume und Logistikstützpunkte, um Polizei oder Andersdenkende anzugreifen. Statt die quasi rechtsfreien Räume zu schließen und zu beseitigen, begünstigen SPD-geführte Verwaltungen sie nicht selten durch Pro-forma-Mietverträge, den Verzicht auf Pacht und Abgaben oder auch direkt aus dem Stadthaushalt – „Conne Island“ beispielsweise mit knapp 200.000 Euro jährlich.


Jugendorganisationen als Speerspitze
Die Jugendorganisationen aller linken Bundestagsparteien sind bestrebt, als Spielwiese und Speerspitze linker Ideologen die Mutterparteien noch links zu überholen. Die Jusos sind keine Ausnahme. Sie üben, gerade bei Demo-Aufrufen oft in einer Front mit der Grünen Jugend und der vom Verfassungsschutz beobachteten Linksjugend solid, den Schulterschluß mit „Antifa“-Gruppen und Linksextremisten und unterhalten einen eigenen „Antifa“-Arbeitskreis.
Augenfällig wird der Schulterschluß nicht zuletzt beim vehementen Einsatz der Jusos für die linksextreme „Rote Hilfe“. Die frühere Vorsitzende Franziska Drohsel geriet wegen ihrer Mitgliedschaft in dem Verein, der linksextreme Straftäter insbesondere aus dem „Antifa“-Bereich unterstützt, noch unter Beschuß und trat 2007 aus. Daß im vergangenen Jahr der Juso-Bundeskongreß sich in einer Solidaritätsadresse gegen ein Verbot des Vereins aussprach, wurde von der Mutterpartei nur noch achselzuckend hingenommen. Juso-Chef Kevin Kühnert begründete das Votum in einem Interview ausgerechnet im Neuen Deutschland.
Mit großem Einsatz unterstützen Jusos und „Falken“ auch linksextreme Kampagnen zugunsten von Rojava, den von der PKK-nahen YPG kontrollierten Kurdengebieten in Syrien. Für Linksextreme ist „Westkurdistan“ die Verwirklichung ihrer Utopie von der sozialistischen Räterepublik. Die Konfrontation mit der Mutterpartei, deren Büros von Rojava-Unterstützern in mehreren Städten angegriffen wurden, scheuen die Jusos dabei ebensowenig wie die „Falken“, die im Februar 2018 während einer Rojava-Kundgebung in Nürnberg das dortige SPD-Haus enterten, um ein Solidaritätstransparent anzubringen.


Sozialdemokraten verabschieden sich vom antitotalitären Konsens
Frei von Berührungsängsten nach linksaußen sind inzwischen auch Spitzenfunktionäre der Partei. Unter dem Aufruf des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus!“ stehen bis heute Seit’ an Seit’ mit einer Reihe von „Antifa“-Gruppen und der gewaltbereiten linksextremen „Interventionistischen Linken“ die damalige SPD-Generalsekretärin und heutige Bundesjustizministerin Katarina Barley, die stellvertretenden Parteivorsitzenden Manuela Schwesig und Ralf Stegner, die damalige Juso-Bundesvorsitzende Johanna Uekermann und der Juso-Bundesvorstand sowie weitere sozialdemokratische Regional- und Bundespolitiker wie Matthias Miersch, Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion.
Der „Interventionistischen Linken“, die auch bei den Hamburger G20-Krawallen eine führende Rolle gespielt hatte, kommt laut Verfassungsschutzbericht mit ihrem „taktischen“ Verhältnis zur Gewalt eine Funktion als „Scharnier zwischen militanten Gruppierungen und nicht gewaltorientierten Linksextremisten beziehungsweise nicht extremistischen Gruppen und Initiativen“ zu.

Der Aufruf des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus!“, das sich im Bundestagswahlkampf 2017 formierte, um der AfD „entgegenzutreten“, und das im Wahljahr 2019 weitere Aktionen plant, ist dafür symptomatisch: Unbescholtene Unterstützer stehen neben ausgewiesenen Linksextremisten, die SPD-Unterzeichner sind eingerahmt von führenden Grünen, Linken und kommunistischen Sektierern.



„Die Falken“ als ­Brückenorganisation

2014 strich Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) die bescheidenen Programme gegen Linksextremismus mitsamt der „Extremismus-Klausel“, die ihre CDU-Amtsvorgängerin Kristina Schröder drei Jahre zuvor eingeführt hatte. Begründung: Die Programme seien wirkungslos und das Problem Linksextremismus „aufgebauscht“.

Für gewaltbereite Linke und „Antifa“-Gruppen, die sich an Bündnissen „gegen Rechts“ beteiligen, eröffnet sich damit ein weites Feld des Zugangs zu von Jahr zu Jahr üppiger fließenden Mitteln aus den vom Familienministerium geförderten Programmen. „Natürlich bekommt der Schwarze Block direkt kein Staatsgeld“, hatte Schröder ihre Klausel rückschauend begründet. „Aber es ist nicht auszuschließen, daß sich über die geförderten Projekte auch Initiativen über Wasser halten, die zur Sympathisantenszene der militanten Antifa und des Schwarzen Blocks gehören.“

Als Brückenorganisation dient beispielsweise die „Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken“, die sich seit Achtundsechziger-Zeiten von der SPD entfernt und radikalisiert hat. Im Verfassungsschutzbericht erscheinen die „Falken“ nicht, obwohl sie vielfach eng mit linksextremen und militanten „Antifa“-Gruppen zusammenarbeiten, eigene „Antifa“-Arbeitskreise unterhalten oder „Antifaschistische Jugendkongresse“ veranstalten.
Obwohl die „Falken“ sich 2011 für Mitgliedschaften in anderen – sprich: noch linkeren – Parteien als der SPD öffneten, hält die Bundespartei auch über sie noch ihre schützende Hand. Als 2010 der CDU-Bundestagsabgeordnete Eckhard Pols die „Falken“ als linksextreme Vereinigung titulierte und die Finanzierung ihrer Aktivitäten durch den Steuerzahler kritisierte, wiesen sechs SPD-Bundestagsabgeordnete „als langjährige und überzeugte Mitglieder“ die Vorwürfe empört zurück.



Die Volksfront marschiert – in Kandel  und anderswo
Ermunterungen von der „Volksfront“-Strategin Angela Marquardt hat die rheinland-pfälzische SPD nicht mehr nötig; sie steckt bereits „bis zum Hals im Antifa-Sumpf“, wie die oppositionelle CDU ihr im Februar vorwarf. AfD-Landeschef Uwe Junge kritisierte die Untätigkeit des SPD-Landesvorsitzenden und Innenministers Roger Lewentz, der sich als für den Verfassungsschutz zuständiger Minister sogar im Innenausschuß zum „Antifaschismus“ bekannt habe.

Gemeinsamer Kampfplatz sind die Demonstrationen „gegen Rechts“ in Kandel, wo Ende 2017 ein Afghane ein Mädchen ermordet hatte. Auch SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer unterstützte die Kundgebungen gegen die Bürgerproteste. Dennis Nitsche, SPD-Bürgermeister von Wörth am Rhein, hieß bei einer Demonstration die „Antifa“ ausdrücklich willkommen. Er wurde dafür von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) scharf kritisiert, deren Kollegen die Gewalttätigkeit der „Antifa“-Truppen in Kandel mehrfach auszubaden hatten.

Zur sozialdemokratischen Demo-Prominenz gehörten neben Nitsches Ehefrau, der Landtagsabgeordneten Katrin Rehak-Nitsche, auch weitere SPD-Landesparlamentarier einschließlich des Fraktionsvorsitzenden Alexander Schweitzer, der sich auch sonst gern mit Antifa-Parolen und -Symbolen und martialischer Linksrhetorik schmückt. Ebenfalls vorne dabei die militante „Kurfürstlich Kurpfälzische Antifa“ des ehemaligen SPD-Kreisvorsitzenden Rhein-Neckar, Holger Heim.

Rheinland-Pfalz ist nicht das einzige Bundesland, in dem eine Volksfront aus SPD und Antifa marschiert. In Baden-Württemberg machen die Jusos im „Stuttgarter Aktionsbündnis gegen Rechts“ mit der gewalttätigen Antifa-Gruppe „Zusammen Kämpfen Stuttgart“ und anderen Linksextremisten gemeinsame Sache, prangerte der AfD-Landtagsabgeordnete Daniel Rottmann an.

Und in Würzburg trat im Mai 2018 bei einer Demonstration gegen die Neufassung des Polizeiaufgabengesetzes der SPD-Landtagsabgeordnete und Innenausschuß-Vorsitzende Franz Schindler gemeinsam mit einer „Antifa“-Rednerin auf. CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer warf den Sozialdemokraten darauf vor, sie lasse „die nötige Distanz zur Antifa vermissen“.

Offenbar zunehmend ein Problem der Gesamtpartei.