© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/19 / 29. März 2019

„Dieser Busfahrer ist eine Bestie“
Italien: Nach der Entführung eines Busses mit Kindern an Bord steht die Einwanderung wieder im Fokus der Politik
Marco F. Gallina


Innenminister Matteo Salvini machte seinem Ärger in einer Talkshow Luft – und sprach damit aus, was die gesamte Nation denkt: „Dieser Busfahrer ist eine Bestie. Und ich will wissen, wer ihn an das Steuer dieses Busses gelassen hat.“

Der Busfahrer, den der Lega-Chef meint, ist der 47jährige Ousseynou Sy. Sy versetzte am 20. März das ganze Land in Schockstarre. 51 Schüler und drei  Begleiter hatte der Senegalese mit italienischem Paß von einem Sportausflug zurück ins lombardische Crema fahren sollen. Doch plötzlich ändert der Busfahrer die Route und nimmt die Insassen in Geiselhaft. „Niemand kommt hier lebend raus!“ soll Sy gegenüber den verängstigten Schülern gerufen haben.
Bereits tags zuvor hatte Sy Benzin und Fesseln besorgt, um seinen Plan umzusetzen. Als Zeichen gegen die Migrationspolitik der beiden Vizepremiers Luigi Di Maio und Salvini will er den Bus in Flammen setzen. Berichten zufolge wollte der Senegalese damit das „Sterben im Mittelmeer“ stoppen. Obwohl Sy die Erwachsenen mit Pistole und Messer bewaffnet dazu zwingt, die Kinder mit Stromkabeln zu fesseln, gelingt es einem Schüler, die Eltern per Handy zu verständigen. Die rufen die Polizei.

Die Carabinieri greifen rechtzeitig ein, stoppen den Bus nahe Mailand und schlagen die Fenster ein. In einer Rettungsaktion schaffen die Beamten die Kinder rechtzeitig aus dem Bus, bevor dieser in Flammen aufgeht. 14 Schüler werden dabei verletzt. 40 Minuten dauert die Geiselnahme.

„Die Afrikaner sollen in Afrika bleiben“

Die Fast-Tragödie von San Donato Milanese sorgte für eine hitzige Debatte  – nicht nur unter Lega-Anhängern. Sy war schon vorher wegen Delikten wie Trunkenheit am Steuer und sexueller Belästigung von Minderjährigen aufgefallen. Salvinis Frage, wie ein solcher Mann an das Lenkrad eines Schulbusses kommt, geht aber auch deswegen tiefer, weil Sy bereits 2004 die italienische Staatsbürgerschaft erhielt und mit einer Italienerin verheiratet war.
Daß ein nach oberflächlichen Kriterien „integrierter“ Einwanderer fünfzehn Jahre später sich dennoch als Afrikaner fühlt und aus Solidarität mit seinen Landsleuten Kinder verbrennen will, bestätigt aus der Sicht vieler Italiener den rigiden Einwanderungskurs Salvinis. Mit einem Ende 2018 verabschiedeten Sicherheitsdekret – „Decreto Salvini“ – ist es überdies möglich, Schwerverbrechern und Terroristen die Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Der Innenminister kündigte bereits an, von dieser Maßnahme im Fall Sy Gebrauch zu machen.

Alberto Nobili, der Chef der Mailänder Antiterroreinheit, bezeichnete Sy dabei als „einsamen Wolf“. Eine Verbindung zu islamischen Terrornetzwerken existiert nach bisherigem Kenntnisstand nicht. Stattdessen habe der Attentäter Freunden in Italien und im Senegal ein Video zukommen lassen, daß er eine „kühne Aktion“ plane, dazu die Nachricht: „Steh auf, Afrika!“
 Gemäß Angaben der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera definiere sich Sy als „Panafrikaner“, Europa habe den Kontinent seit der Kolonialära ausgebeutet und setze Regierungen ein, die dem Westen entgegenkämen. Zudem widersprach er der Auffassung, er hätte die Kinder töten wollen, Feuer habe er nicht gelegt. Vielmehr hoffe er, daß in Europa die Rechten gewännen, denn: „Die Afrikaner sollen in Afrika bleiben.“

Noch im Oktober 2018 hatte der sozialdemokratische Bürgermeister Mailands, Giuseppe Sala, seinen Parteikollegen „Fehler“ in Migrationsfragen vorgeworfen: „Die afrikanischen Migranten sind das wahre Problem. Ihr Bildungsgrad beträgt quasi null, und sie haben nie gearbeitet. Das ist die Wahrheit.“ Sala hatte damit Kritik aus den eigenen Reihen und Rassismusvorwürfe kassiert. Dagegen wird Ramy, der ägyptische Junge, der seine Eltern verständigte, als Held gefeiert. Darauf angesprochen, ob man dem Jungen wegen seiner Verdienste nicht die italienische Staatsbürgerschaft verleihen soll, bleibt Salvini  reserviert: „Wir können das prüfen, aber wir verteilen die Staatsbürgerschaft nicht wie Eintrittskarten für den Lunapark.“