© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/19 / 05. April 2019

„Ihr könnt gewinnen!“
Er galt bis zu seinem Zerwürfnis mit US-Präsident Donald Trump als dessen rechtskonservatives Meisterhirn. Nun will der ehemalige „Breitbart“-Chef Steve Bannon mit „The Movement“ Europa revolutionieren
Luca Steinmann

Herr Bannon, Ihre Ankündigung, ein weltweites rechtskonservatives Netzwerk mit dem Namen „The Movement“ und Sitz in Italien aufbauen zu wollen, hat für Schlagzeilen gesorgt. Wen möchten Sie für das Projekt gewinnen?

Steve Bannon: Ich spreche dafür mit vielen Parteien und Bewegungen weltweit, die sich mit dem Thema Souveränität und Verteidigung der Nation beschäftigen. So habe ich in Italien Lega-Chef Matteo Salvini und viele Politiker seiner Partei getroffen. In Frankreich ist mein Ansprechpartner selbstverständlich Marine Le Pen und in Deutschland die Alternative für Deutschland, die eine hervorragende Arbeit leistet. Allerdings kommen meine Gegenüber nicht nur aus Europa, sondern auch aus den USA, aus Lateinamerika, ja dem ganzen eurasischen Kontinent.

Und Sie glauben, das funktioniert? 

Bannon: Warum denn nicht? 

Schon die Parteien und Gruppierungen in Europa sind äußerst verschieden und kaum unter einen Hut zu bringen. Lateinamerika, Eurasien – glauben Sie wirklich, deren sehr unterschiedliche politische und kulturelle Vorstellungen sind kompatibel?

Bannon: Sie übersehen, daß man bei allen auch Gemeinsamkeiten findet. Brasiliens neuer Präsident Jair Bolsonaro zum Beispiel hat gesagt, daß er für die Führung seines Wahlkampfs im Herbst 2018 von Matteo Salvini inspiriert worden sei. Noch beobachte ich deshalb die internen politischen Prozesse in den Ländern der von mir ins Auge gefaßten Ansprechpartner.

Haben Sie vor, so die Innenpolitik dort zu beeinflussen?

Bannon: Nein, meine Ansprechpartner brauchen mich nicht, um in der eigenen Heimat politische Zustimmung zu gewinnen. Schauen Sie doch mal, wie schnell die Lega in Italien zur Macht gekommen ist oder mit welcher Geschwindigkeit derzeit in Spanien die neue rechte Kraft Vox wächst. Als ich mich zum ersten Mal mit Vertretern dieser Partei traf, das war 2017, hatten sie intern noch absolut null Konsens. Und heute, das Jahr 2019 hat ja quasi erst begonnen, beeinflussen sie bereits den innenpolitischen Prozeß ihres Vaterlandes. 

Was soll „The Movement“ sein? Wie soll es funktionieren und vor allem: Was sollte es nach Ihrer Vorstellung einmal leisten?

Bannon: Ich möchte klarstellen, daß es nicht darum geht, eine übernationale Partei zu schaffen. Nein, „The Movement“ wird eine Art Klub sein, der seinen ganz unterschiedlichen Mitgliedern die Möglichkeit zur informellen Vernetzung bietet. Denn nach meiner Erfahrung ist es sehr wichtig, daß eine Struktur existiert, die es ermöglicht, Perspektiven und Strategien zu teilen. Wichtig dabei ist mir auch, daß ich nur für den Klub verantwortlich bin und auch nur für dessen Aufbau Geld beschaffe, nicht aber für seine Mitglieder. Nur so, mit Eigenverantwortung aller Seiten, kann das funktionieren. 

Aber was soll der konkrete Nutzen, wie soll das Netzwerk erfolgreich sein?

Bannon: Meinen derzeitigen Gesprächspartnern und hoffentlich künftigen Klubmitgliedern sage ich, was ich auch schon 2016 Donald Trump während seines Wahlkampfes gesagt habe. Nämlich, daß er – obwohl damals Hillary Clinton in den Umfragen gerade 14 Punkte vor ihm lag, wie zumindest die Medien behaupteten, – er trotzdem siegen könne: „Du kannst gewinnen! Du kannst gewinnen!“ – immer wieder! Und am Ende hat er auch gewonnen. Und das können die europäischen Populisten auch. Ja, ich würde mich nicht mal wundern, sollte es ihnen sogar gelingen, im Mai fünfzig Prozent der Sitze im Europaparlament zu holen.

Übertreiben Sie da nicht völlig?

Bannon: Vielleicht haben Sie nicht verstanden, was ich Ihnen eben zu erklären versucht habe: „Du kannst gewinnen!“

Wecken Sie nicht dennoch unrealistische Erwartungen, wenn Sie die Vorstellung schüren, die politische Zustimmung für rechtsalternative Parteien in Europa könnte in kürzester Zeit – die Europawahl ist im Mai – noch derart anwachsen? Wie sollte das  möglich sein?

Bannon: Kommen Sie, schauen Sie sich doch einmal um! Wir leben heute in einer neuen, besonderen Epoche – in der die politische Unterstützung der Bürger, ja der Völker für den Gedanken der Souveränität immer stärker anwächst. Erinnern Sie sich? Bis vor wenigen Jahren war das noch völlig anders. Damals bekamen die Bürger doch fast ausschließlich jene große Erzählung von der Europäischen Union zu hören, die auf ihren wichtigen Begründer, den Franzosen Jean Monnet zurückgeht, und die sich verkürzt auf die Formel bringen läßt: „Entweder Brüssel oder das Chaos!“ 

Was hat sich da heute gegenüber damals geändert?

Bannon: Heute gibt es auch eine alternative Erzählung, die sich inzwischen so sehr verbreitet hat, daß sie beginnt, Wirkung zu entfalten. Und sie lautet, daß sich dieser Kontinent eben nicht unbedingt zu den Vereinigten Staaten von Europa entwickeln sollte. Durch alternative Medien sind mehr und mehr Bürger davon überzeugt worden, daß das Westfalen-System besser ist als das der Europäischen Union.

Sie beziehen sich auf den Westfälischen Frieden von 1648?

Bannon: Eben, freie Völker in freien Nationen! 

Sie glauben also, daß die politische Auseinandersetzung vor allem in der Sphäre der Kommunikation stattfindet. Welche Rolle spielen folglich die Medien, die ja überwiegend gegen Ihre „alternative Erzählung von Europa“ anschreiben?

Bannon: Wissen Sie, ich habe lange das Verhalten der amerikanischen Kartellmedien gegenüber Donald Trump sehr genau beobachtet. Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 waren sie sogar unsere wahren Opponenten – weit mehr als die Demokraten, also mehr als unsere eigentlichen Konkurrenten! Natürlich ist es nicht meine Aufgabe, den Medien zu erklären, wie sie sich benehmen sollten, und ich möchte auch nicht gezielt einzelne Journalisten bezichtigen. Jedoch sollte man sich als Journalist schon fragen: Was sind meine Standards? Und welchen Standards sollte der Journalismus in unserer Kultur entsprechen? Dann würden die Medien nämlich von selbst dazu kommen, das zu tun, was dringend nötig wäre: nämlich sich einer tiefen und ernsthaften Selbstkritik zu unterziehen. Und sich in deren Folge neue Regeln zu geben. Regeln, die sie zurückführen würden zu dem, was eigentlich ihr vornehmstes Qualitätsmerkmal sein sollte: die Professionalität. 

Worauf beruht Ihr Optimismus, daß das geschehen könnte? Denn denken Sie doch zum Beispiel daran, wie viele Medien zumindest den Eindruck erweckt haben, Präsident Trump habe sich in seinem Wahlkampf russischer Unterstützung versichert, obwohl sie dafür keine Beweise hatten. Und obwohl, wie nun der Bericht des US-Sonderermittlers Robert Mueller belegt, solche Beweise auch nicht zur Verfügung stehen. 

Bannon: Ja, die Kartellmedien haben in diesem Fall wirklich jede Glaubwürdigkeit verspielt. Und übrigens hätte Trump als Präsident seine amtlichen Privilegien nutzen können, um sich rechtlich dagegen zur Wehr zu setzen. Doch hat er darauf verzichtet, ja er hat sogar über eine Million Dokumente zugänglich gemacht, um eine Untersuchung der ganzen Angelegenheit entsprechend der Vorwürfe zu fördern. Das sollten Sie bitte schreiben, damit das die Menschen in Deutschland auch mal erfahren! 

Nun leisten die Russen der ideologischen Hegemonie, die Westeuropa beherrscht, Widerstand – was aus pluralistischer und demokratischer Sicht sehr wichtig ist. Wie stehen Sie zu Rußland, zu seiner Regierung und zu seinem Präsidenten und welche Rolle können diese für die europäische politische Rechte spielen? 

Bannon: Ich fange bei der Beantwortung Ihrer Frage mal hinten an: Man sollte immer bedenken, daß die Russische Föderation zwar ein riesiger Staat ist, aber daß dessen Brutto-Inlandsprodukt dennoch kleiner ist als das von New York. Dazu kommt, daß das Land an einer schweren demographischen Krise leidet, sowie daß es obendrein wirtschaftlich fast vollständig vom Rohstoffhandel abhängig ist. Und schließlich, daß sein wirtschaftliches System von einigen wenigen Oligarchen kontrolliert wird. Sie sehen, mit wie vielen Einschränkungen diese Macht zu leben hat. Und dennoch ist und bleibt Wladimir Putin trotz allem einer unserer wichtigsten Partner, wenn es darum geht, in Amerika oder hier in Europa unser jüdisch-christliches Erbe zu verteidigen!

Sie haben mehrfach erklärt, daß nicht Rußland, sondern China unser geopolitischer Feind sei. Schwebt Ihnen also vor, durch eine intensive Zusammenarbeit mit den Russen die derzeit starke Kooperationsachse Moskau-Peking zu zerbrechen?

Bannon: Ach wissen Sie, ich denke, die Stärke der russisch-chinesischen Achse wird doch oft übertrieben dargestellt. Denn seit sehr langer Zeit schon sind die beiden Länder strategische Konkurrenten, ja sogar Feinde. Ich sagte es schon, ich wünsche mir eine Kooperation mit Rußland für die Schaffung und Verteidigung einer Alternative zum bestehenden internationalen System – nämlich eines, in dem, wie meine Formel lautet, freie Völker in starken Nationen gesichert leben können. Und versteht man diese Perspektive, dann versteht man auch, daß Donald Trump außenpolitisch keine US-Protektorate will, sondern starke nationale Verbündete, die gemeinsam mit den USA die Idee des Abendlandes verteidigen. China jedoch ist mit dieser Weltsicht nicht vereinbar. Denn das Riesenreich wird von einer radikalen Regierung geführt, deren außenpolitisches Handeln mit dem Verhalten der früheren britischen Ostindien-Kompagnie vergleichbar ist, die überall ungehemmt nach Vorteilen und Einfluß strebte. Und genau so versucht heute Peking, überall wo die Chinesen in der Welt auftauchen, die Kontrolle zu übernehmen. 

Was halten Sie hingegen von der Politik Trumps gegenüber dem Staat Israel, vor allem in Hinsicht auf Jerusalem? 

Bannon: Nun, ich selbst hatte Trump dringend empfohlen, die amerikanische Botschaft so schnell wie möglich nach Jerusalem zu verlegen. Und warum habe ich das? Weil das ein hochsymbolischer Akt ist!

Eben, mit dem die USA unnötig provoziert haben. Obwohl es doch in unserem westlichen Interesse ist, den Nahost-Konflikt – falls das überhaupt möglich sein sollte – nach Möglichkeit zu befrieden. 

Bannon: Nun, dann wird es Sie wahrscheinlich nicht erfreuen, wenn ich Ihnen sage, daß ich auch Trumps Vorgehen in der aktuellen Frage der Golanhöhen unterstütze. 

Dann erklären Sie doch bitte einmal warum – wo erkennen Sie dabei denn das europäische oder vielleicht auch nur amerikanische Interesse? 

Bannon: Sehen Sie denn nicht, wie wichtig, ja unbedingt notwendig für uns eine nahe, gute und verläßliche Zusammenarbeit mit Israel ist? Vor allem deshalb, weil den Juden sehr schwierige Zeiten bevorstehen – vor allem hier bei Ihnen in Europa, wo die Mischung aus Kulturmarxismus und radikalem Islam noch weit stärker ist als in den USA. 

Das ist aber keine Antwort auf die Frage. 

Bannon: Doch, das ist meine Antwort auf Ihre Frage. Es mag ja sein, daß diese Sie nicht zufriedenstellt. Aber ich bin nun einmal ein christlicher Zionist und unterstütze die Isrealis und ihren Staat. 

Zum Schluß noch eine Frage an den Katholiken Steve Bannon: Unlängst hat sich Papst Franziskus deutlich gegen die geplante Mauer zu Mexiko ausgesprochen und Präsident Trump dabei heftig kritisiert. Wie gehen Sie damit um?

Bannon: Sehen Sie, der Papst ist der Vikar Christi, also dessen Stellvertreter auf Erden. Was er jedoch über die Politik sagt, hat mit der christlichen Lehre nichts zu tun. Ich glaube, daß die wirklich handfesten Probleme der Katholischen Kirche nicht von seiten der sogenannten Populisten kommen, sondern von Leuten innerhalb der Kirche, die nicht begreifen, welche zerstörerischen Folgen ihr Verhalten – siehe Korruption, sexuelle Mißbräuche und Pädophilievorwürfe – langfristig für die Kirche haben werden. Und was nun die Kritik des Papstes an der Mauer zu Mexiko angeht: Ich weiß natürlich auch, daß sie alleine nicht die Lösung des Migrationsproblems sein kann. Aber – und darüber sollten die Kritiker der Mauer vielleicht einmal nachdenken, bevor sie sie immer gleich für untauglich erklären – sie kann und sie wird ein Teil seiner Lösung sein! Einer Lösung, der wir alle äußerst dringend bedürfen, wenn wir unsere abendländischen Völker und Nationen retten wollen.






Steve Bannon, war Wahlkampfberater Donald Trumps, dann Chefstratege im Weißen Haus (von August 2016 bis August 2017). Zuvor leitete er, ab 2012 bis 2018 (mit einem Jahr Unterbrechung, in dem er für Trump tätig war), „Breitbart News“, das führende Online-Nachrichtenportal der amerikanischen Neuen Rechten, der Alternative-Right-Bewegung („Alt-Right“). Der ehemalige Marine-Offizier, geboren 1957 in Norfolk, Virgina, studierte Stadtplanung, Sicherheitspolitik sowie in Harvard Betriebswirtschaftslehre und arbeitete als Investmentbanker, Berater von General Electric, Filmproduzent, außerdem zuvor als Direktor des international bekannten Forschungsprojektes „Biosphere 2“ (1993 bis 1995). Zeitweilig hatte er auch eine eigene politische Radioshow. Bannon, der streng katholisch orientiert ist, gilt als sogenannter Konservativer Revolutionär und Kulturkämpfer und will sich mit dem Netzwerk „The Movement“ ein politisches Standbein in Europa schaffen, um in der westlichen Welt langfristig einen konservativen Paradigmenwechsel zu erreichen.

Foto: Publizist Bannon bei einer Pressekonferenz in Rom (März 2019): „Eine Lösung, der wir alle dringend bedürfen, wenn wir unsere abendländischen Völker und Nationen retten wollen“  

 

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