© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/19 / 05. April 2019

„Mich wundert inzwischen gar nichts mehr“
Auszeichnung: Die Verleihung des Münchner Publizistikpreises an den linken Journalisten Robert Andreasch stößt auf Kritik
Hinrich Rohbohm

Zehntausend Euro beträgt die Summe, die der Gewinner des Münchner Publizistikpreises für sich einstreichen darf. Der Preis der bayerischen Landeshauptstadt wird an Persönlichkeiten vergeben, die durch ihr Wirken dazu beigetragen haben, München als Medienstadt Profil zu geben. Die ZDF-Fernsehjournalistin Maria von Welser hatte ihn ebenso erhalten wie die einstige Herausgeberin der Abendzeitung, Anneliese Friedmann, der Zeitungsverleger Dirk Ippen, der Moderator Dieter Kronzucker oder Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung.

Im Juni soll die alle drei Jahre vergebene Auszeichnung nun an Robert Andreasch gehen. Eine – vorsichtig ausgedrückt – bemerkenswerte Entscheidung der zwölfköpfigen Jury, die sich aus Journalisten und Mitgliedern des Münchner Stadtrats zusammensetzt. Denn mit Robert Andreasch hat sie einen Antifa-Journalisten ausgewählt, der aus der linksradikalen Szene stammt und eng mit ihr vernetzt ist. Der 45jährige ist dort ein gerngesehener Referent, ausgestattet mit einem umfassenden Spezialwissen über Rechtsextremisten. Für die wiederum ist Andreasch, der mit richtigem Namen Tobias-Raphael Bezler heißt, ein Haßobjekt.

Der Grund: Bezler tritt keinesfalls als neutraler journalistischer Beobachter auf. Antifa-Aktivitäten und journalistische Arbeit verschmelzen bei ihm miteinander, wenn er mit seiner Kamera Nahaufnahmen von Rechtsextremen oder von Leuten anfertigt, die nach seinem Weltbild diesem Milieu zuzuordnen sind. Sich gegenseitig abzufotografieren und sich dann im Internet an den Pranger zu stellen, ist rechts- wie linksaußen gang und gäbe. Andreasch gilt als Protagonist dieser Methode. Nicht selten greifen auch etablierte Medien auf seine Recherchen zurück, so die Süddeutsche Zeitung, die Zeit, der Spiegel und der Bayerische Rundfunk. Letzterer hatte sich 2011 von ihm distanziert, nachdem der Sender erfahren hatte, daß Andreasch maßgeblich für die damals vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtete und als linksextrem eingestufte Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München (aida) arbeitet.

Um so bemerkenswerter ist es, daß nun eine Jury grünes Licht für die Verleihung des Publizistikpreises an Andreasch gibt, in der mit Christine Hamel und Jeanne Rubner ausgerechnet zwei Journalisten des Bayerischen Rundfunks vertreten sind. Bedenken wurden von ihnen offenbar ebensowenig geäußert, wie von den beiden CSU-Stadträten in der Jury, Beatrix Burkhardt und Marian Offmann. „Ich werde mich Ihnen gegenüber dazu nicht äußern“, sagt Offmann der JUNGEN FREIHEIT zur Nominierung des Antifa-Journalisten, verweist zudem auf die Vertraulichkeit des Gremiums. In der Tat ist es allgemein üblich, daß Entscheidungen über derartige Preisverleihungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit getroffen werden.

Dabei wäre die Frage durchaus spannend, wer einen derart umstrittenen Journalisten für einen solch renommierten Preis vorschlägt. Eine Person, die auf Veranstaltungen der linksextremen Jungen Welt gerngesehener Referent ist; die Vorträge bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung hält oder erst vor wenigen Wochen einen Vortrag im „Kafe Marat“, einem linksextremen Szenetreff (JF 21/18), gehalten hatte. Der Treff befindet sich im Schlachthofviertel der Ludwigs- und Isarvorstadt, in der Thalkirchner Straße. Eine mit Graffiti übersäte Mauer schirmt das Areal vor unerwünschten Blicken ab. Hammer und Sichel sind in roter Farbe an die Wand geschmiert. Am Straßenanfang steht das Wort „Antifa“ in dicken weißen Lettern an einer Mauer. Kurios: Während die Stadt München den Treff sogar finanziell unterstützt, wird er gleichzeitig vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet.

„Die CSU regiert in München als kleiner Koalitionspartner zusammen mit der SPD. Da fährt man den bevorzugten Projekten des anderen nicht in die Parade“, erklärt ein CSU-Insider die ungewöhnliche Konstellation. Die Arbeit der Antifa und ihre damit verbundenen „Kampf- gegen- Rechts“-Netzwerke sind eines jener Projekte, die für die SPD München einen hohen Stellenwert haben. Noch unter dem damaligen Oberbürgermeister Christian Ude wurde die Fachstelle gegen Rechtsextremismus gegründet. Eine Institution, die dem Stadtoberhaupt direkt unterstellt ist. Leiterin der Stelle, die sich inzwischen als „Fachstelle für Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit“ bezeichnet, ist die Soziologin Miriam Heigl, die unter anderem als Autorin für die antideutsche Wochenzeitung Jungle World wirkte.

„Nicht vorstellen, daß die Fraktion so deppert ist“

Selbst in Marian Offmanns eigener Stadtratsfraktion ist man offensichtlich nicht über die bevorstehende Preisverleihung informiert. „Ich höre davon zum ersten Mal“, zeigt sich das Ratsmitglied Reinhold Babor (CSU) überrascht. Und bestätigt: Weder im Stadtrat noch in seiner eigenen Fraktion sei über das Thema je gesprochen worden. „Aber angesichts der allgemeinen toleranten Selbstauflösung in unserem Land wundert mich inzwischen gar nichts mehr.“

Auch an der Münchner CSU-Basis herrscht über diesen Vorgang allgemeine Unkenntnis. „Andreasch? Wer soll das sein? Ein Antifa-Journalist, der den Münchner Publizisitikpreis bekommt? Das kann ich nicht glauben“, lautet etwa die Reaktion eines Vorstandsmitglieds. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß unsere CSU-Stadtratsfraktion so deppert ist und das mittragen würde“, meint auch einer aus dem Ortsverband Pasing. Wenn er sich da mal mal täuscht ...