© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/19 / 05. April 2019

Dorn im Auge
Christian Dorn

Wir sind hier in der Cloud/ Weil ihr noch in die Zeitung schaut./ Wegen euch nur ging’n wir fort/ Und deshalb bleiben wir nun dort./ Denn der ist toxisch, euer Ort.“ Doch im Ernst: Tatsächlich müßte der Slogan des freitäglichen Schulstreiks wohl lauten: Strike on Friday is the Failure for Future. Pünktlich zur Ankunft der Klima-Prophetin hat der anonym arbeitende Street-Art-Künstler El Bocho über Nacht das Konterfei von Greta Thunberg über dem Eckladen des Friseurgeschäfts an der Gethsemanekirche angebracht. Daraufhin erwische ich mich bei menschenverachtenden Phantasien: Am liebsten würde ich diese jugendliche Unheilsverkünderin so lange links und rechts ohrfeigen, bis sie aus ihrem Ideologiewahn erwacht. Doch zurück zum Irrsinn der Realität: Im Café der Sowjetzone erkläre ich dem Künstler, einem Jünger der Klimakirche, daß er laut neuester EU-Richtlinie ab sofort für sein tägliches Brötchen mit Käse (Comté) und Schinken (Serrano) eine zweifache CO2-Abgabe zu entrichten habe, sichtbar als gesondert aufgeführter Steuersatz auf dem Rechnungsbeleg. Da heute der 1. April ist, hält er es noch für einen Scherz.


Als ich nachts den „Späti“ betrete, ertönt es aus der Ecke hinter dem Tresen: „Wer ist da?“ Auf meine Frage, ob dies noch der „Tatort“ sei, verneint der Türke, das sei „Matrix“. Offenbar ist die totale Verunsicherung, die der Film damals auf junge Zuschauer ausübte, bis heute ungebrochen. So beharrt der Verkäufer darauf, daß doch auch heute nicht klar sei, was jetzt real ist: „Wo sind denn die Beweise?“ Da ich die Haribo-Packungen mit Fiat-Geld, den „Draghi-Blüten“, begleiche, gebe ich dem jungen Mann unvermittelt recht. Zustimmung erfahre auch ich: vom Unternehmer aus Neuseeland im Café des Westsektors, der über die Anbiederung der Regierungschefin Ardern den Kopf schüttelt, die nach dem Massaker von Christchurch es gleich übertrieb, indem sie mit islamischer Kopfbedeckung erschien und muslimische Gebetsformeln sprach – und das ohne Aufschrei der politisch-korrekten Minoritätenwächter. Handelt es sich doch hier ohne Zweifel um berüchtigte Akte von „cultural appropriation“ (kultureller Aneignung).


Das gilt auch für die opportunistische deutsche Rockband Rammstein, die so gern germanische Urkräfte bemüht, um sich sogleich davon zu distanzieren. Daß die „Deutschland“-Anleihe bei Anne Clarks „Our Darkness“ damit unversehens „Dunkeldeutschland“ ins Recht setzt, paßt dabei perfekt ins Bild.