© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/19 / 05. April 2019

Langsame Annäherungen
Öffentlich-Rechtliche, Verlage und Privatsender liebäugeln mit einer gemeinsamen Plattform
Gil Barkei

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stehen vor einer neuen Beitragsperiode (JF 6/19). Die Ministerpräsidenten der Länder haben der Rundfunkkommission nun den Auftrag erteilt, ein Indexierungsmodell zu prüfen und bis Juni ein Konzept zu erarbeiten, wie die Beitragshöhe künftig bestimmt werden soll. Gleichzeitig sprach sich die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und Vorsitzende der Rundfunkkommission, Malu Dreyer (SPD), für eine gemeinsame Internetplattform aus. „In der neuen Welt“, in der es auch darum ginge, „wie man die Angebote der Öffentlich-Rechtlichen findet“, mache dies „einfach nur Sinn“, sagte sie den Journalisten Steffen Grimberg und Daniel Bouhs.?Damit bekommt die Idee zunehmend politische Rückendeckung. Bereits der „Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung“ sprach sich für eine digitale Plattform aus, die die Inhalte von ARD und ZDF bündeln und mit dem Angebot aus anderen EU-Staaten zusammenfügen soll. 

Immer wieder aufgeworfen wird dabei die Frage, inwieweit auch private Anbieter von einem derartigen Portal profitieren. Schon der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm zeigte sich mit seiner seit Anfang 2018 mehrmals in die Debatte eingebrachten Idee einer gemeinsamen „Super-Mediathek“ offen, langfristig auch private Leitmedien aufzunehmen.

Wer darf dazugehören und wie sind die Kosten verteilt?

Ein Nachrichtengigant im Internet könnte das Ergebnis sein, der die Angebote der Anstalten, aber auch Tageszeitungen, Wochenmagazine und private Fernsehsender vereint. Doch wer gehört zur „demokratisch“ wertvollen Presse? Wer liefert und bezahlt was? Und wer entscheidet nach welchen Kriterien über die Aufnahme in den erlauchten Kreis? Als die ARD-Werbechefs Elke Schneiderbanger und Uwe Esser im Horizont-Interview vergangene Woche die Qualität in der Printbranche kritisieren, rudert Wilhelm umgehend zurück und betont, keinen Anlaß einer Abgrenzung zu sehen. Die Kooperationsüberlegungen der etablierten Medienhäuser zielen auch auf alternative Angebote, die schon jetzt gerade beim Bewegtbild üppig ausgestatteten Konkurrenten wie „Funk“ vergleichsweise wenig entgegenzusetzen haben.

Aber ist das noch der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Wie „praktisch“, daß über eine Neujustierung ebenfalls diskutiert wird. Erst kürzlich war ARD-aktuell-Chef Kai Gniffke intern in die Kritik geraten. In einem Brandbrief werfen ihm Redakteure vor, Gelder zweckentfremdet zu haben. So habe Gniffke Anfang des Jahres die Nachtschicht bei „Tagesschau“, „Tagesthemen“ und „Nachtmagazin“ abgeschafft und durch eine alleinige Online-Kraft ersetzt sowie die Kapazitäten bei „Tagesschau24“ heruntergefahren. Die eingesparten Mittel seien vor allem zugunsten des Internetauftritts tagesschau.de umgeschichtet worden.

Nicht nur die Öffentlich-Rechtlichen streiten über die zukünftige Finanzierung ihres Journalismus, auch private Medienhäuser diskutieren seit längerem, wie sie Auflagenverlusten, US-Internetkonzernen und alternativen Angeboten entgegentreten können. Im Spiegel forderte Bertelsmann-Vorstandvorsitzender Thomas Rabe eine europäische Medien-Allianz mit Blick auf die Werbe-Macht von Facebook und Co.. Für ihn hat das Denken „in unseren alten Mediensilos“ ausgedient. Die RTL-Mutter Bertelsmann sei bereit, mit Rivalen wie Burda oder ProsiebenSat.1 zu kooperieren.

Angesichts der Überlegungen des DuMont-Verlags, das Zeitungsgeschäft abzustoßen (JF 11/19), sprach der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands, Frank Überall, von einem „verlegerischen Offenbarungseid“. Die Politik sei nun in der Pflicht, Verantwortung für „Meinungsvielfalt und Qualitätsjournalismus“ zu übernehmen. Einige Journalistenkollegen zeigten sich allerdings skeptisch. „Die Lösung für diese Krise ist es sicherlich nicht, Journalismus künftig von Staats wegen oder durch Stiftungen zu finanzieren“, schrieb Spiegel-Redakteur Markus Brauck. Aber wie so oft kann die Ablehnung einer Idee diese erst wieder ins Licht der Aufmerksamkeit rücken. So ablehnend sich auch der Präsident des Zeitungsverleger-Verbandes (BDZV) und Springer-Chef, Mathias Döpfner, gegenüber direkten Zuschüssen zeigte („Lieber Insolvenzen bei Zeitungen als der Verlust ihrer Unabhängigkeit durch Subventionen“), so interessiert zeigte er sich beim Berliner Zeitungskongreß 2018 gegenüber Wilhelms Ansatz einer paneuropäischen Plattform. 

Dabei kann die Mitnutzung einer mit politisch gedeckten Zwangsabgaben (teil-)finanzierten Plattform sehr wohl als eine Art Subventionierung über Bande gesehen werden. Die eigenen Vorteile liegen für beide Seiten auf der Hand: Die Öffentlich-Rechtlichen könnten sich mit den Verlagen bei der Online-Texteinschränkung neu einigen und im Internet expandieren. Die angeschlagenen Zeitungsverlage könnten ein absicherndes Stückchen vom GEZ-Kuchen abbekommen und müßten sich dadurch weniger Sorgen um vergraulte Kunden machen. 

Bereits im November 2017 betonte der Medienwissenschaftler Horst Röper, die Verlage müßten sich angesichts der Auflageneinbrüche und des Wandels im Anzeigengeschäft neue Einnahmequellen suchen. Mögliche Optionen: staatliche Hilfen oder Stiftungsgelder. In einigen Ländern sei dies gang und gäbe: In den USA flössen Stiftungsmillionen an diverse Medien. In Schweden soll die bereits seit den Siebzigern praktizierte staatliche Subventionierung von Presseorganen auf regionale Zeitungen, aber auch auf digitale Medien, Podcasts und Internetsender ausgeweitet werden – offiziell um den lokalen Journalismus zu unterstützen.

Viele Verlage kooperieren bereits

Hierzulande ist die Politik den Verlagen bereits entgegengekommen. Seit dem Inkrafttreten der Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) Anfang November 2017 können Medienunternehmen enger zusammenarbeiten. Aktuell liebäugelt Bertelsmann damit, das Vermarktungsbündnis AdAlliance zwischen RTL und Gruner + Jahr für weitere Medienhäuser zu öffnen. Im Februar gründeten Gruner + Jahr mit Bauer die gemeinsame Einzelvertriebsgesellschaft „Medienvertrieb“. Bereits Ende November 2018 schlossen sich Springer, die Bauer Media Group, die Funke-Mediengruppe, Gruner + Jahr und Hubert Burda Media zum Netzwerk „True Media“ zusammen. Nach außen gibt man sich kämpferisch für mehr Qualität und gegen die „wachsende Verunsicherung von Verbrauchern angesichts algorithmisch erzeugter Filterblasen, Fake News und alternativer Fakten“. In Wirklichkeit geht es vor allem um eine engere Zusammenarbeit beim Marketing und beim Kampf um Werbebudgets. Denn die Verlagshäuser sind gleichzeitig unter dem Dach der Gesellschaft für integrierte Kommunikationsforschung (GIK) versammelt, die Marktstudien betreibt, um Kunden und Partner mit Daten für ihre Werbeplanung zu versorgen.

Anscheinend wurden Hoffnungen, die deutsche Wirtschaft könnte der Verlagsbranche mit gezielten Anzeigen solidarisch unter die Arme greifen, nicht ausreichend erfüllt. Im September 2017 hatte Gruner + Jahr-Chefin Julia Jäkel im Handelsblatt die Industrie aufgefordert, bei Werbebuchungen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden und in Zeiten von Desinformation ihre Werbung vor allem in seriösen Printmedien zu schalten. Einen Ansatz, den die Mitgründerin der Hamburger Agentur Thjnk, Karen Heumann, Ende 2018 in dem Blatt wieder auffrischte und erweiterte: „Vielleicht ist es eine politische Frage, vielleicht brauchen wir eine Art Demokratieabgabe. Oder man muß Qualitätsmedien tatsächlich über Stiftungen finanzieren.“ „Demokratieabgabe“: so wurde bisher nur die Rundfunkgebühr positiv umschrieben.

Und auch private Fernsehsender strecken bereits die Finger Richtung Zwangsgebührentopf aus. „Wir als gesamte Gruppe stehen für Kooperationen zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Privaten nicht nur bereit, sondern laden zu einer raschen Umsetzung zunächst im deutschsprachigen Raum ein“, sagte Conrad Albert, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von ProSiebenSat.1, im Gespräch mit Promedia. Es müßten Lösungen entwickelt werden, beide Seiten des dualen Systems zu ermutigen, mehr gesellschaftlich relevante Inhalte auszustrahlen und zu produzieren – ohne Erlös- oder Refinanzierungszwänge. Längst büßen die linearen TV-Kanäle Werbeeinnahmen ein, da Bewegtbilder zunehmend online konsumiert werden. 

Einige Medien versuchen es dagegen mit einer Kooperation mit Facebook. Neben dem Recherchenetzwerk Correctiv hilft künftig auch die Deutsche Presse-Agentur dem sozialen Netzwerk gegen Bezahlung bei der Faktenprüfung und beim Aufspüren von „Fake News“.