© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/19 / 05. April 2019

Hanebüchene Fälle
Die DDR-Staatssicherheit in thüringischen Bezirken
Jürgen W. Schmidt

Die Behörde des Beauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR kommt ihrem Bildungsauftrag durch die Herausgabe von Überblicksdarstellungen über das Wirken der Staatssicherheit in den einzelnen östlichen Bundesländern nach. Nachdem 2016 ein Überblick über Sachsen-Anhalt (Bezirke Halle und Magdeburg) und 2017 über Sachsen (Bezirke Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt) erschienen ist, folgte Ende 2018 der Band über Thüringen (Bezirke Erfurt, Gera, Suhl). 

Der Aufbau jedes Bandes ist relativ einheitlich. Zuerst werden am regionalen Beispiel Zäsuren in der Geschichte der Staatssicherheit und der DDR beschrieben, festgemacht an Jahren wie 1953 und 1968. Danach gehen die Autoren auf konkrete Arbeitsfelder der Stasi zur Unterdrückung der Opposition über und schildern markante Fälle unter den Stasi-Opfern. Zuletzt erfolgt eine Beschreibung der Auflösung der regionalen Staatssicherheitsbehörden im Jahr 1989 inklusive der biographischen Informationen über die Staatssicherheitsfunktionäre auf bezirklicher Ebene. Während beispielsweise der Leiter der MfS-Bezirksverwaltung Suhl, Generalmajor Gerhard Lange, 1990 Selbstmord beging, publizierte sein Erfurter Amtskollege Josef Schwarz noch diverse Bücher über sein sozialistisches Wirken. 

Die hanebüchenen Fälle der Stasi bewirken bei der Lektüre oft ungläubiges Kopfschütteln. So lag die „Buchenmühle“ mitten auf der „Zonengrenze“ zwischen dem DDR-Kreis Bad Salzungen und Hessen, wobei ein quer über den Hof fließender Bach die Grenze bildete. Folglich wurde die Westseite des Hofes auch nach dem Mauerbau bewohnt, während die Gebäude der Ostseite im September 1961 von der DDR abgerissen wurden. Erschütternd ist die von DDR-Behörden vertuschte Erschießung des Italieners Benito Corghi im August 1976. Gerade im linksparteiregierten Thüringen sollten Vorfälle wie die MfS-Überwachung des Staatstheaters Meinungen oder die flächendeckende, personalintensive MfS-„Absicherung“ der Rennrodel-Weltmeisterschaften von 1985 in Oberhof dazu anregen, die eigene Geschichte tatkräftig aufzuarbeiten. Einige Genossen konnten trotz ihrer Verstrickungen danach Karriere in der Partei machen.

Peter Boeger, Elise Catrain (Hrsg.): Stasi in Thüringen. Die DDR-Geheimpolizei in den Bezirken, Erfurt, Gera und Suhl. Berlin 2018, broschiert, 167 Seiten, Abbildungen, 5 Euro

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