© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/19 / 12. April 2019

Ländersache: Thüringen
„Von rassistischen Sichtweisen kontaminiert“
Paul Leonhard

Wie viele schwarze Deutsche in Thüringen leben, weiß das Deutsche Institut für Menschenrechte nicht. Trotzdem sorgt man sich, daß der „ausschließliche Bezug zu Migration die Lebensrealitäten von schwarzen Deutschen“ nicht nur ignoriert, sondern auch die Gefahr birgt, „letztlich zu einer Reproduktion von Rassismus beizutragen“. 

So formuliert es das Berliner Institut in seiner Sachverständigenanhörung der Enquete-Kommission „Ursachen und Formen von Rassismus und Diskriminierungen in Thüringen sowie ihre Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben und die freiheitliche Demokratie“. Interessant ist dabei die Einführung des Begriffs des „schwarzen Deutschen“. Wer sich im Freistaat in die Welt der Enquete-Kommission begeben will, muß Begriffe pauken: Ambiguitätstoleranz, biologistische Positionen, Diskursverschiebung, Diversity-Management und -Strategien, Dunkel- und Hellfelddaten, einfachgesetzlich und einfachrechtlich, Empowerment, Gender Check, Hate Speech, Viktimisierung. 

Ein ganzes Glossar an Fachwörtern einschließlich ihrer Erklärungen ist dem Zwischenbericht der Kommission vorangestellt. Unter „koloniale Kontinuitäten“ ist beispielsweise das Fortbestehen von Überresten der deutschen Kolonialherrschaft zu verstehen, unter „ostdeutscher Deprivation“ das „Gefühl der Beeinträchtigung, des Entzugs oder der Schlechterstellung“.

Willkommen im rot-rot-grün regierten Thüringen, in dem sich ein sozialistischer Ministerpräsident für Sonderrenten für frühere SED-Kader stark macht und offiziell empfohlen wird, das „Recht auf freie Meinungsäußerung sowie das Kontroversitäts-Gebot der politischen Bildung“ einzuschränken. Als der Thüringer Landtag vor zwei Jahren die Bildung der Kommission beschloß, ahnte einzig die AfD, die vergeblich einen Antrag „Keine Bekämpfung bürgerlicher Meinungen unter dem Vorwand der Rassismusbekämpfung“ eingereicht hatte, worauf alles hinauslaufen würde. 

Aktuell werden sogar die richterliche Unabhängigkeit und die Gewaltenteilung in Frage gestellt. Konkret hatte die Kommission in einem Maßnahmenkatalog unterstellt, die Spruchpraxis der Verwaltungsjustiz sei „von rassistischen Sichtweisen kontaminiert“. Offener Protest kam allein vom ehemaligen Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts, Hartmut Schwan: Er kenne keinen einzigen Fall, wo Gerichtsentscheidungen rassistisch motiviert gewesen seien. Den Verfassern der „Empfehlungen“ wirft der 67jährige „grundlegende Defizite bei der Kenntnis einfacher rechtlicher Vorgaben“ vor. In den Vorschlägen der Kommission seien Bestrebungen erkennbar, „Verfassungsgrundsätze außer Kraft zu setzen“. Grundprinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung würden ignoriert, heißt es auch in einem Schreiben des Vereins der Thüringer Verwaltungsrichter. 

Die Kommission habe zwar mit ihren Äußerungen „ein bißchen Porzellan zerschlagen“, meint dagegen Elke Heßelmann, Präsidentin des Verwaltungsgerichts Weimar, andererseits müßte sich die Gerichtsbarkeit bemühen, ihr Handeln verständlicher zu machen. Inzwischen rudern auch die Kommissionsmitglieder zurück: Fehlerhafte Formulierungen seien korrigiert worden, die Gewaltenteilung werde nicht in Frage gestellt.