© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/19 / 12. April 2019

Moskau und Peking halten die Treue
Venezuela: Trotz zunehmender wirtschaftlicher und sozialer Probleme kann sich das Maduro-Regime stabilisieren
Wolfgang Bendel

Venezuelas wirtschaftliche und soziale Krise verschärfte sich erneut, als es ab dem 7. März mehrmals zu landesweiten und tagelangen Stromausfällen kam. Sofort brach Streit darüber aus, wer die Schuld an dem Energiechaos habe. Schlamperei und Korruption seitens des herrschenden Regimes wurden als Gründe ebenso angeführt wie Sabotageakte durch US-Geheimdienste. Eine Art Schuldeingeständnis durch die Regierung war es dann freilich, als Staatspräsident Maduro seinen Energieminister Anfang April entließ.

Die Auswirkungen der Krise sind verheerend. Der fehlende Strom wirkt sich nicht nur negativ auf die Beleuchtung der Wohnhäuser und Straßen aus und verunmöglicht die Konservierung verderblicher Waren, sondern führt zu lebensgefährlichen Engpässen in der medizinischen Versorgung. Zahlreiche Patienten verstarben in den Krankenhäusern, weil lebenserhaltende Apparate ihren Dienst einstellten. 

Proteste zeigen Ermüdungerscheinungen

Noch weitreichender sind die Auswirkungen auf die Wasserversorgung. In hochgelegenen Wohnungen und Häusern führt der Energiemangel dazu, daß es nur noch wenige Stunden pro Woche fließendes Wasser gibt. Die hygienischen und gesundheitlichen Folgen sind fatal. 

Während die Lage der Bevölkerung immer schwieriger wird, konnte sich das Regime von Maduro machtpolitisch stabilisieren. Die von seinem Gegenspieler Juan Guaidó erhofften Desertionen blieben weitgehend aus, die Streitkräfte stehen nach wie vor treu zum sozialistischen Machthaber. 

Dazu trug die Tatsache bei, daß sowohl Rußland als auch China inzwischen Truppen entsandten. Beide Großmächte scheinen fest entschlossen, Maduro an der Macht zu halten. Die „Nationale Armee der Bolivarischen Republik Venezuela“, wie die Streitkräfte offiziell heißen, sandte zur Abschreckung Einheiten an die Grenze zu Brasilien, die mit russischen S-300- Lenkwaffensystemen zur Luftabwehr ausgerüstet sind. 

Gegenpräsident Guaidó ruft immer wieder zu neuen Demonstrationen auf, um gegen die prekäre wirtschaftliche Lage und die politische Repression zu protestieren. Trotz erneuter Großdemonstrationen am vergangenen Wochenende bestätigt sich der Eindruck, daß der Zulauf zu diesen Versammlungen eher geringer denn stärker wird. Eine Beobachtung, die übrigens auch für die staatlich organisierten Jubelveranstaltungen gilt. 

Die Bevölkerung des Landes zeigt gewisse Ermüdungserscheinungen, was ihren politischen Einsatzwillen betrifft – angesichts der schwierigen Lebenslage vieler Menschen und der festgefahrenen Situation keine große Überraschung.

Maduro seinerseits trieb die Eskalation noch weiter, als er Roberto Marrero, den Büroleiter Guaidós, verhaften ließ. Am 3. April schließlich hob zudem die verfassungsgebende Versammlung, die im Gegensatz zur Nationalversammlung von Anhängern Maduros kontrolliert wird, die Immunität Guaidós auf. 

Begründet wurde dies mit „Amtsanmaßung“ und „Sabotage gegen die Energieversorgung“. Außerdem wird gegen Guaidó ermittelt, weil er trotz Ausreisesperre im Februar das Land verlassen hatte, bei dem gescheiterten Versuch, einen internationalen Hilfskonvoi nach Venezuela anzuführen. 

Es ist kaum zu erwarten, daß sich der gordische Knoten Venezuelas in absehbarer Zeit lösen wird. China, Rußland und auch Kuba werden es nicht zulassen, daß das Regime des Nicolás Maduro gestürzt wird. Das wäre ein enormer Gesichtsverlust für diese Länder, der einen Dominoeffekt auslösen könnte. Die Aufrüstung Venezuelas und die Stationierung verbündeter Truppen in dem Land wiederum machen eine militärische Intervention seitens der USA und ihrer Alliierten unrealistisch.