© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/19 / 12. April 2019

Hochriskante Anlagerichtlinien des Euro-Rettungsschirms ESM
Geheime Verschlußsache
Dirk Meyer

Dem Euro-Rettungsschirm ESM drohen Verluste. Er hat derzeit Kredithilfen von 90 Milliarden Euro an Griechenland, Zypern und Spanien vergeben. Gemessen am Ausfallrisiko ist der Zinssatz von unter einem Prozent hoch subventioniert. Maximal könnte der ESM Kredite in Höhe von rund 500 Milliarden Euro auszahlen. Hierzu muß er sich die Gelder am Markt besorgen. Voraussetzung für eine günstige Refinanzierung ist erstens eine hinreichend große Haftungszusage des ESM an seine Gläubiger. Zweitens muß diese im Falle einer nicht zurückgezahlten Kredithilfe sofort einlösbar sein. Deshalb wurden etwa 80 Milliarden dieses 705 Milliarden Euro umfassenden Haftungskapitals von den Mitgliedstaaten (deutscher Anteil 27 Prozent) bereits in den ESM eingezahlt und liquide, also kurzfristig, angelegt.

Doch hier beginnt das Problem: ESM-Chef Klaus Regling warnte bereits davor, daß infolge der Niedrigzinsen eine negative Verzinsung des angelegten Sicherungskapitals von minus 1,2 Prozent bis 2020 zu Verlusten von bis zu 950 Millionen Euro führen könnte. Ein Teil der Gelder ist nämlich schnell greifbar bei der Deutschen Bundesbank und der Banque de France geparkt – zu einem Einlagenzins von minus 0,4 Prozent. Auch die als sicher geltenden deutschen Staatsanleihen liegen derzeit wieder im Negativbereich. Nur so lassen sich hohe Liquidität und höchste Bonität sicherstellen – allerdings zu Kapitalverlusten.

Um diese Verluste künftig zu vermeiden, hat der ESM eine Lockerung der Anlagerichtlinien vorgeschlagen. In Deutschland muß das Parlament beteiligt werden. Jedoch hat das Bundesfinanzministerium den Entwurf als „Verschlußsache – nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichnet, so daß er im Detail nur den Mitgliedern des Haushaltsausschusses bekannt ist. Um vier Änderungen scheint es zu gehen: Erstens sollen (Staats-)Anleihen bis zur Endfälligkeit gehalten werden, was einen Verlustausweis im Falle sinkender Marktbewertungen verzichtbar macht. Ein möglicher Ausfallverlust würde auf den Termin der Rückzahlung verschoben. Zweitens soll die Mindestanforderung an die Bonität einiger Papiere um eine Note von AA auf A sinken. Drittens sollen Anlagen von Emittenten mit Staatsgarantie zulässig sein, was beispielsweise eine verstaatlichte Krisenbank sein kann.

Schließlich soll ein verstärktes Engagement in supranationalen Institutionen (Juncker-Fonds) sowie bei Emittenten außerhalb des Euro-Währungsgebiets möglich werden. Das Ergebnis sind höhere Ausfallrisiken für den Steuerzahler, geringere Reaktionsmöglichkeiten bei akuten Kreditausfällen und ein höherer Kreditzins für die Krisenkredite. Alles hat seinen Preis – und den wollen die Regierungsparteien und die Grünen, gegen die Stimmen von AfD, FDP und Linken, tragen.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.