© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/19 / 12. April 2019

Sternschnuppe Afrikas
Vom Schwellen- zum Entwicklungsland: Nach der ersten demokratischen Wahl in Rhodesien 1979 begann unter dem einstigen Hoffnungsträger Robert Mugabe ein beispielloser Abstieg
Jürgen Liminski

Es sah aus wie eine Sternstunde afrikanischer Geschichte. Am 21. April 1979 wählte Rhodesien zum erstenmal in freien, geheimen und allgemeinen Wahlen ein Parlament – eine Zäsur im südlichen Afrika. Die grünweißgrüne Fahne wurde eingeholt, ein Zapfenstreich vor dem letzten amtierenden weißen Präsidenten, Henry Everard, und dem letzten weißen Premier, Ian Smith, mit seinem gemischt-rassischen Kabinett, verklang. Später, um 19 Uhr, ertönte auf der Gardenparty des Noch-Präsidenten in der Hauptstadt Salisbury (später Harare) die Hymne der Republik Rhodesien, dann Beethovens „Freude schöner Götterfunken“. 

Nobel ging ein Stück England im Herzen Afrikas mit britischer Kultur und britisch-imperialer Lebensart zu Ende, ein Staatsgebilde, das der eifrige Kämpfer für die imperiale Idee, Cecil Rhodes, Ende des 19. Jahrhunderts geschaffen hatte, das 1923 zur britischen Kronkolonie ernannt wurde und das 1965 gegen das Mutterland rebellierte, um seinen englischen, kolonialen Charakter mitten im südlichen Afrika zu wahren, diesen Anachronismus aus der Zeit der Königin Victoria, ihres Premiers Lord Salisbury und des Schriftstellers Rudyard Kipling, der die mentalen Unterschiede zwischen Mutterland und Kolonien so genial formuliert hatte.

Aber die Sternstunde erwies sich als Sternschnuppe. Zwar durften an diesem Tag alle schwarzen Rhodesier über 18 Jahre, Männer und Frauen, wählen und 64 Prozent von ihnen taten es auch, um die 72 schwarzen Abgeordneten (von insgesamt 100) des künftigen Parlaments von „Simbabwe-Rhodesien“ zu bestimmen. Und sie wählten trotz der Drohungen der Terrororganisationen, die sich wie in anderen Ländern „Befreiungsbewegungen“ nannten, was westliche Medien bereitwillig übernahmen, obwohl ihre Unterstützung durch die Sowjetunion offenkundig war. 

Unabhängigkeit Mosambiks verschlechterte die Lage 

Im Dezember 1972 waren die Afrikanische Nationalunion von Simbabwe (Zanu) und die Afrikanische Volksunion von Simbabwe (Zapu) zum bewaffneten Kampf übergegangen. In den gut sechs Jahren Guerrillakrieg bis zu den Wahlen kamen 5.533 schwarze und 399 weiße Zivilisten ums Leben, besonders blutig waren die letzten Monate vor der Wahl. Denn die Terroristen von Zanu und Zapu konnten keineswegs auf die Unterstützung der Bevölkerung zählen, was sich dann auch im Ergebnis niederschlug. Das Minderheitsvolk der Matabele, das vorwiegend im Südwesten lebt, wählte die Partei seines Oberhäuptlings, die Vereinigte Föderale Partei, Kaissa Indweni. Der Stamm der Ndau aus dem Mehrheitsvolk der Maschona den Stammesangehörigen Pastor Sithole, der auch Chef der Zanu war, bevor Robert Mugabe das Kommando übernahm.

Vorausgegangen waren Jahrzehnte des Kampfes und der Verhandlungen, auch unter Beteiligung der Nachbarstaaten. Die Wende brachte ein Ereignis im fernen Europa, die Nelkenrevolution in Portugal am 25. April 1974. An diesem Tag hörte Rhodesiens Nachbar Mosambik auf, für Rhodesien ein freundliches Gebiet zu sein. Im Gegenteil, mit der Loslösung der jahrhundertealten portugiesischen Kolonie vom Mutterland und einer neuen marxistischen Regierung wurde Mosambik Rückzugs-und Ausbildungsgebiet für die Zanu. 

Mosambik schloß seine Grenze zu Rhodesien, das damit den Zugang zu den Häfen Beira und Maputo verlor und fortan nur noch mit der Eisenbahn durch Botswana mit Südafrika und der Außenwelt verbunden war. Es kam danach zu internationalen Verhandlungen zwischen Großbritannien, Sambia, Botswana, Tansania und Südafrika. Pretorias Premier Balthazar Vorster vermittelte, auch die USA mischten sich ein, ihr damaliger Außenminister Henry Kissinger entwickelte Friedenspläne (wie später in Vietnam) für den Übergang von der weißen zur schwarzen Herrschaft. Alles scheiterte jedoch am Widerstand der Guerrilla Mugabes, hinter denen Moskau die Fäden zog. Schließlich ging es im südlichen Afrika auch um wichtige Bodenschätze. 

Die seit der Unabhängigkeitserklärung in den sechziger Jahren zunehmen auch international ins Abseits geratenen Regierung Ian Smith – in Afrika war Rhodesien mit Ausnahme Südafrikas völlig isoliert – suchte hingegen eine Lösung mit den Gemäßigten. Man berief sich auf die Vergangenheit, die im Namen Simbabwe ruht. Der Name leitet sich aus dem Begriff „Dzimba dza mabwe“ her, was soviel bedeutet wie „Häuser aus Stein“ und sich auf die Metropole eines vom 12. bis zum 15. Jahrhundert regional bedeutsamen Königreiches des Bakaranga-Stammes bezieht. Von diesem Reich sind bis heute die monumentalen Ruinen einer Siedlung mit Steinhäusern mitten im Busch geblieben – ein beeindruckendes Zeugnis historischer Architektur im subsaharischen Afrika. 

Mugabe ging mit Terror gegen Konkurrenten vor

Die heutigen Stämme – Maschona, Matabele und einige kleinere Volksgruppen – haben mit den Bakarangas allerdings nichts mehr zu tun, dennoch sollte die gemeinsame Geschichte über die Unterschiede zwischen den Stämmen Brücken bauen. Dafür sollte Bischof Abel Muzorewa stehen, der in all den Jahren des Untergrundkriegs die Verhandlungen mit der rhodesischen Regierung, insbesondere mit Ian Smith geführt hatte. Aber er kam nicht wirklich zum Zuge. Dem Gewinner der ersten freien Wahlen gelang es nicht, die Guerrillagruppen zur Annahme der Wahlen zu bewegen. Im Gegenteil, die Zanu unter Robert Mugabe und die Zapu unter Joshua Nkomo intensivierten von Mosambik und Sambia aus den bewaffneten Kampf, unterstützt durch Waffen aus der Sowjetunion und anderen Ländern des Ostblocks. Die Republik Simbabwe-Rhodesien fand keine internationale Anerkennung. Und der Terror der Guerilla wirkte. „Die Menschen wußten“, wird ein deutscher Bundestagsabgeordneter im März 1980 nach einer Reise als Wahlbeobachter in Simbabwe schreiben, „daß nur Mugabe den Krieg würde beenden können und der Krieg weiterginge, wenn Mugabe verlöre.“ 

Mugabe war es, der die Sternstunde zur schwarzen Stunde machte. Im Dezember 1979 gewann er die Neuwahlen und nach einer kurzen Zeit des Stillhaltens richtete sich der Terror nun gegen seinen einstigen Verbündeten Nkomo und die Zapu. Mugabe wurde bereits jetzt zum Totengräber der Freiheit. Razzien der Regierungstruppen gegen die Matabele entwickelten sich zu Mordkommandos. Am grausamsten wüteten die Soldaten der fünften Brigade, die von Nordkoreanern ausgebildet worden waren. Ein Flüchtlingsstrom ergoß sich nach Sambia und Botswana. Die Zambia Daily Mail berichtete, daß die Kommandos nach Listen von Funktionären der Oppositionspartei und von Lehrern vorgingen, die während des Rhodesienkrieges die damaligen Guerrilleros von Nkomo unterstützt hatten. 

Zwei Schergen Mugabes wurden als leitende Exekutoren des Massenmordes bekannt: Armeekommandeur Rex Nhongo, der schon 1976 Vizechef der Guerrillatruppe wurde, weil er bei einem Abendessen alle Konkurrenten erschießen ließ, und der nach der Unabhängigkeit auf ältere weiße Ehepaare schoß, die nicht rasch genug mit ihren Autos seinem Wagen auswichen. Ihm zur Seite stand der weiße Söldner Lionel Dyck, ein wegen Feigheit vor dem Feind aus der Rhodesien-Armee ausgestoßener Major, der von Mugabe nach 1980 als Oberst und Kommandeur einer Exekutions-Einsatzgruppe wieder angeheuert worden war.

Enteignungpolitik stürzte das Land in bittere Armut

Und die weiße Minderheit? Man ließ sie erst einmal in Ruhe und auch die Farmer blieben weitgehend unbehelligt. Der Grund: Ohne sie lief es nicht. Sie waren in Wirtschaft und Verwaltung notwendig. Zu Beginn seiner Amtszeit verkündete Mugabe sogar, daß Schwarze und Weiße künftig zusammenarbeiten und das Land gemeinsam entwickeln sollten: „Lassen wir die Vergangenheit ruhen“, forderte er mit Blick auf den blutigen Unabhängigkeitskampf für die gemeinsame Zukunft, was an die spätere „Regenbogenstaat“-Rhetorik im Post-Apartheid-Staat Südafrika erinnert. 

Allerdings hatte sich Mugabe auch gegenüber der Commenwealth-Schutzmacht Großbritannien im Lancaster-House-Abkommen vom 21. Dezember 1979 verpflichtet, der weißen Minderheit für die nächsten Jahre eine parlamentarische Mitsprache von 20 Prozent zu sichern. Dafür versprach London, nach einer Frist von zehn Jahren eine Landreform mit britischen Geldern abzufedern, um den unverhältnismäßig großen weißen Grundbesitz an schwarze Bauern umzuverteilen.

Dennoch wanderten immer mehr Weiße aus. Bereits in den ersten drei Jahre nach der ersten freien und allgemeinen Wahl waren es weniger als 200.000 von zuvor knapp einer Viertelmillion von fünf Millionen Einwohnern. Anfang der neunziger Jahre setzte der sich vom „klugen, besonnenen Politiker, der um Ausgleich bemüht ist“ (Richard von Weizsäcker 1988), mehr und mehr zum Diktotar entwickelnde Mugabe seine Landreform mit massiven Enteignungen um, nach der von den einstmals 4.500 weißen Farmern noch 200 in Simbabwe (Stand 2018) blieben. Aus der einstigen Kornkammer Afrikas wurde ein Land des Hungers, da die von Mugabe an Günstlinge aus der Revolutionszeit verteilten Farmen kaum mehr landwirtschaftliche Produktivität aufwiesen. Gleichzeitig fand eine beispiellose Massenverarmung mit Hyperinflation und Absinken der Lebenserwartung statt. Millionen Menschen flohen zwischen 1995 und 2015 in die Nachbarländer, besonders nach Südafrika. Trotzdem wuchs die Bevölkerung Simbabwes zwischenzeitlich auf heute geschätzt 17 Millionen (darunter weniger als 10.000 Weiße). Auch diese exorbitante Bevölkerungsentwicklung führte neben der Mißwirtschaft dazu, daß aus dem Rhodesien von 1979 als einem der wohlhabendsten Staaten Afrikas mit dem heutigen Simbabwe ein Armenhaus des Kontinents wurde.

Foto: Protestparole gegen den Diktator an einer Nebenstraße in Simbabwes Hauptstadt Harare 2015 (o.); Robert Mugabe gewinnt 1980 Präsidentenamt gegen Joshua Nkomo: Totengräber der Freiheit