© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/19 / 19. April 2019

Gewohnt vollmundig
„Geordnete-Rückkehr-Gesetz“: Horst Seehofer rudert nach Kritik zurück
Peter Möller

Horst Seehofers Ankündigung war gewohnt vollmundig. „Zügig“ werde die Bundesregierung den Zustand abstellen, daß – wie im vergangenen Jahr – knapp die Hälfte der geplanten 57.000 Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern und anderen ausreisepflichtigen Ausländern scheitert, kündigte der Innenminister im Februar an. Ein häufiger Grund dafür, daß Abschiebungen nicht stattfinden: Die Betroffenen werden unzulässigerweise rechtzeitig vor der Abschiebung über den bevorstehenden Termin informiert und nutzen diese Information, um abzutauchen oder eine erneute juristische Prüfung der Entscheidung in Gang zu setzen.

Nun liegt der Entwurf für das geplante sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz vor, und wieder scheint es so, als könne der CSU-Politiker die Erwartungen, die er geweckt hat, nicht erfüllen. Denn ein zentraler Punkt seiner Pläne, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß künftig deutlich mehr Ausländer aus Deutschland abgeschoben werden, ist am Widerstand der SPD gescheitert. Ursprünglich hatte Seehofer geplant, auch die Warnung vor Abschiebungen durch private Organisationen wie beispielsweise die selbsternannten Flüchtlingsräte oder die Veröffentlichung von Terminen für Abschiebungen unter Strafe zu stellen. Für diese Vergehen sollten den Betroffenen künftig bis zu drei Jahre Haft drohen.

Doch nachdem die Pläne bekannt geworden waren, liefen die Lobbyorganisationen, die sich für ein möglichst voraussetzungsloses Bleiberecht für Ausländer einsetzen und die der damalige CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im vergangenen Jahr als „Anti-Abschiebe-Industrie“ bezeichnet hatte, Sturm dagegen. Unterstützt wurden sie darin von Linkspartei, Grünen und SPD, die Reformgegner sprachen von einer drohenden „Kriminalisierung“. In einer gemeinsamen Erklärung erinnerten die Landesflüchtlingsräte daran, daß die Behörden bis 2015 die Abschiebetermine „in der Regel“ selbst veröffentlicht hätten. Zugleich versuchten sie, ihr Handeln zu rechtfertigen: „Vor Abschiebungen zu warnen bedeutet, daß einige wenige Geflüchtete noch die Gelegenheit wahrnehmen können, ihre Rechte vor Behörden und Gerichten einzufordern“, heißt es in der Erklärung. Abschiebungen seien für die Betroffenen potentiell lebensgefährdend und ihnen werde durch das Bekanntwerden von Abschiebungsterminen die Möglichkeit gegeben, zu prüfen, ob Rechtsmittel einzulegen sind. 

Ein demokratischer Rechtsstaat müsse es nicht nur tolerieren, sondern sogar fördern, „daß seine Zivilgesellschaft in Form von Beratungsstellen, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen und Flüchtlingsintiativen helfen, falsche Behördenentscheidungen zu korrigieren.“ Und auch Justizministerin Katarina Barley (SPD) macht die ablehnende Haltung ihrer Partei zu den Plänen aus dem Innenministerium deutlich: „Menschen, die Geflüchtete unterstützen, sind keine Kriminellen.“

„Asylantrag zu stellen        ist keine Straftat“

In der vergangenen Woche ruderte Seehofer daher zurück und entschärfte seinen Gesetzentwurf, der von Unions-Abgeordneten scherzhaft als „Und-Tschüß-“ oder „Gute-Reise-Gesetz“ bezeichnet wird. „Wir wollen durch die Strafbarkeit keine Nicht-Regierungs-Organisationen treffen und auch keine Journalisten“, sagte der Innenminister der Süddeutschen Zeitung. „Wir konzentrieren uns auf die Quelle der Information, und das ist der Amtsträger.“ Wer Dienstgeheimnisse verrate, solle dafür bestraft werden. Mit anderen Worten: Künftig dürfen die Behörden gegen Beamte vorgehen, die Abschiebetermine an Außenstehende weitergeben –  weiterhin kaum etwas zu befürchten hätten dagegen Personen und Organisationen aus dem linken Spektrum, die diese Informationen öffentlichkeitswirksam verbreiten.

Wie das aussieht, zeigte Anfang der Woche ein Blick auf die Internetseite des „Bayerischen Flüchtlingsrates“. Als Topmeldung war dort zu lesen: „Es gibt Hinweise, daß die nächste Abschiebung nach Afghanistan vermutlich am Mittwoch, 24.04.2019 stattfinden wird. Wir raten allen ausreisepflichtigen Afghanen, dringend eine Beratungsstelle oder eine*n Rechtsanwält*in aufzusuchen.“ Die Quelle dieser notdürftig als „Hinweis“ kaschierten Information ist ohne Frage die für die Organisation der Abschiebungen zuständige Ausländer- und Polizeibehörde.

Nach dem nun überarbeiteten Gesetzentwurf, dem wochenlange Verhandlungen Seehofers mit Barley und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorausgegangen waren, wäre diese Warnung weiterhin weitgehend folgenlos. Zwar sollen neben den „Amtsträgern“ weiterhin auch Personen, die nicht im öffentlichen Dienst arbeiten, „wegen Anstiftung oder Beihilfe zur Haupttat“ strafrechtlich verfolgt werden können. Doch Freiheitsstrafen drohen nicht mehr.

Dennoch konnte Seehofer der SPD auch Zugeständnisse beim Abschiebegesetz abringen. Künftig sollen Abschiebehäftlinge nicht nur in eigens eingerichteten Abschiebehaftanstalten, sondern vorrübergehend auch in normalen Strafanstalten untergebracht werden können. Angesichts der Tatsache, daß in vielen Bundesländern in den vergangenen Jahren zahlreiche Abschiebehaftanstalten aufgelöst wurden, sehen Experten diese Regelung als durchaus hilfreich an, um die Zahl der Abschiebungen zu erhöhen. 

Allerdings haben einige Länder bereits ihren Widerstand gegen diese geplante Regelung angekündigt. Sie warnen vor einer Belastung des regulären Strafvollzugs in den Anstalten. Und auch in der SPD regt sich erneut Widerstand: „Gefängnisse sind für Straftäter da. Einen Asylantrag zu stellen, ist keine Straftat“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci dem Handelsblatt.