© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/19 / 19. April 2019

CD-Kritik: Antonio Vivaldi, Kurt Redel
Kalter Kaffee
Jens Knorr

Einige Jahrzehnte nach ihrer Wiederentdeckung sind die unter dem Titel „Die vier Jahreszeiten“ berühmt gewordenen ersten vier der 12 Concerti Op. 8 von Antonio Vivaldi in vielerlei Gestalt zu hören: von unterschiedlichen oder von ein und denselben Interpreten zu unterschiedlichen Zeiten eingespielt und in je diametraler Auslegung der musikalischen Grammatik, nach der diese Violinkonzerte zu spielen wären. Ein Konzertmitschnitt aus der Sala Nezahualcòyotl, Mexico City, gibt musik-historisch Interessierten Kunde, wie es 1981 um die Interpretation bestellt war.

Der Violinist Ferenc Kiss und das Orchester Pro Arte München, dirigiert von seinem Gründer und Leiter, dem Flötisten Kurt Redel, streben einen verschlankten Mischklang an, der immer gleich aufgeräumt klingt. Jungfräuliche Linienführung mit harmlosen Verzierungen und Kadenzen, schematisch fein piano abgesetzte Wiederholungen, ein geschäftiger Grundrhythmus vermögen heute nur noch biedere Jahreszeitenbildchen zu evozieren.

Die Interpretation steht für ein musikgeschichtliches Moment, da die tastende Suche nach möglichen Spielweisen barocker Musik mit modernen Instrumenten und romantisierender Klangauffassung an nicht hintergehbare Schranken stoßen mußte. Barockem Musikdenken war vielmehr das Unerwartete als eine zentrale Kategorie inhärent.

Hommage à Kurt Redel (1918–2013) Antonio Vivaldi, Johann Sebastian Bach Bella Musica 2019  www.bella-musica-edition.de