© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/19 / 19. April 2019

Geheime Kommandosache GW924m
Diskussion um Wolfsjagd in Schleswig-Holstein: Vom grandiosen Scheitern eines grünen Wiederansiedlungsexperiments
Dieter Menke

Bei dem Vierbeiner, der vor fünf Wochen gemächlich durch Dieter Joerns Garten trabte, handelte es sich zweifelsfrei nicht um eins jener possierlichen Eichhörnchen, die der Rentner allmorgendlich zur Fütterung erwartet. Stattdessen blickte der ungläubige Tierfreund auf einen Wolf – auf Stippvisite am Eckernförder Stadtrand, wie die Kieler Nachrichten am 8. März berichteten.

Lange wies die Karte der Wolfssichtungen in Schleswig-Holstein allein den Nordosten noch als weißen Fleck aus. Mit vorweihnachtlichen Schafsrissen nahe Rendsburg (2018) und dem Vorfühlen Isegrims Richtung Eckernförde (JF 4/19) ändert sich das. Trotzdem ist diese flotte Expansion des wanderlustigen Räubers nicht die akute Sorge von Jan Philipp Albrecht, dem grünen Umweltminister der Kieler „Jamaika-Koalition“. Die heißt vielmehr „GW924m“. So lautet die amtliche Kennung des „Problemwolfs“, der seit letzten Sommer in den Kreisen Pinneberg und Steinburg seinen Anteil daran hatte, daß 2018 mit 75 für die Opfer tödlich geendeten Attacken auf Schafe, Kälber und sogar Ponys als Rekordjahr in die bereits 2007 eröffnete nordelbische Wolfsstatistik einging.

Auch Nachsichtgeräte zum Einsatz bringen?

Albrecht muß aussitzen, was ihm der zum Bundeschef der Grünen aufgestiegene Robert Habeck hinterlassen hat. Denn bei der forcierten Wiederansiedlung des Wolfes im dicht besiedelten Norden ist so ziemlich alles schiefgelaufen, was bei der Umsetzung realitätsferner grüner „Projekte“ immer schiefzulaufen pflegt. Zunächst wurden wütende Landwirte und Schafhalter mit dem Verweis auf Habecks „wolfssichere Zäune“ besänftigt (JF 48/17). Doch GW924m überwand die Hindernisse und riß Weidetiere. Nach hinhaltendem Widerstand erteilte Albrecht darum Ende Januar die bei Parteifreunden verteufelte Abschußgenehmigung. Doch das Klima zwischen Tierhaltern und Tierschützern war da bereits so vergiftet, daß die Operation Wolfsjagd als geheime Kommandosache starten mußte. Die Jäger und eine verstärkte „Expertengruppe“ bleiben anonym, um ihnen elektronisch verschickte Morddrohungen militanter Tierschützer zu ersparen. Albrecht wollte daher, weil das Thema so „hochemotional“ sei, in der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung nicht auf Gerüchte eingehen, denen zufolge Wolfsfreunde wenigstens einmal direkt die „Entnahme“, also die Tötung des Tieres, verhindert hätten.

Nach über zwei Monaten erfolgloser Jagd sieht Albrecht sich nun zu weiteren Revisionen grüner Wolfspolitik genötigt. Die Ansitzzeiten sollen ausgeweitet werden und mit dem Bundeskriminalamt kläre er ab, ob bei der Wolfsjagd Nachtsichtgeräte zum Einsatz kommen dürfen. Tauche der Problemwolf in anderen Landkreisen auf, wolle er die Ausweitung des Jagdgebietes genehmigen. Als letzte rote Linie, die der selbst zum Gejagten gewordene Minister mit Rücksicht auf die vielen radikalen Wolfsschützer in seiner Partei halten möchte, bleibt der Vorbehalt einer Abschußgenehmigung für jeden neu in Erscheinung tretenden, Zäune überspringenden Problemwolf.

Albrecht stößt damit das Tor zur Aufnahme von Canis lupus ins Bundesjagdrecht auf, so wie es seine schwarz-gelben Koalitionspartner mit Blick auf die EU-Wahl am 26. Mai fordern. Der Unmut bei deren Wählerschaft wächst. Bei den gleichzeitigen Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz ist das vorerst kein Thema: Hier wurden erst in 17 Fällen Wölfe nachgewiesen. Und im „Präventionsgebiet Westerwald“ können 90 Prozent der Kosten für wolfssichere Zäune und Herdenschutzhunde primär für Schaf-, Ziegen- und landwirtschaftliche Dam- und Rotwildhalter vom Land gefördert werden, beruhigt die grüne Umweltministerin Ulrike Höfken ihre Bauern.

Wolfsmanagement in Schleswig-Holstein: schleswig-holstein.de/

Wolfsberatungsstelle des Bundes:  www.dbb-wolf.de