Viele Menschen sind einsam. Schließt sich die Haustür hinter ihnen, sind sie der beklemmenden Stille ihrer vier Wände ausgesetzt und haben allenfalls eine einzige Gesprächspartnerin, der sie sich anvertrauen können: Alexa, die virtuelle Assistentin von Amazon. Wer glaubt, das sich auf diese Weise einstellende Glücksgefühl basiere auf Selbstbetrug, weil man ja nur mit einer Maschine kommuniziere, der irrt. Hinter Alexa stehen Menschen, die zwar nicht antworten können, aber doch zuhören und sogar Wort für Wort schriftlich aufzeichnen. Amazon zufolge sind sie in Boston, Costa Rica, Indien und Rumänien tätig, und manche von ihnen sollen so fleißig sein, daß sie tausend Mitschnitte pro Tag abarbeiten können. Das Unternehmen bekräftigt, daß alles mit rechten Dingen zugeht, und natürlich gibt es nicht den geringsten Grund, dies zu bezweifeln. Die Aussagen werden mehr oder weniger, aber auf jeden Fall ordnungsgemäß anonymisiert, bei kritischen Daten hören die Lauscher einfach weg, und obendrein wird alles auch noch verschlüsselt.

Vergangene Generationen mußten aufwendig Tagebücher führen, heute kann man Alexa verwenden.

Was durchaus rechtskonform sein mag, ist dennoch beklagenswert. Aus Lebensäußerungen unverwechselbarer Individuen produziert Amazon Big-Data-Einheitsbrei für statistische Zwecke. Erneut bestätigt sich, daß Schutz der Persönlichkeitsrechte bloß ein anderer Ausdruck für praktizierte Inhumanität ist. Die allermeisten Menschen haben gar keinen Grund, irgend etwas vor anderen zu verheimlichen, und jenen, die einen solchen anführen könnten, sollte man sowieso auf die Finger gucken. Jeder von uns muß aber befürchten, daß alles, was ihn bewegt und von ihm zum Ausdruck gebracht wird, im ewigen Schweigen unendlicher Räume ungehört verhallt. Vergangene Generationen mußten aufwendig Tagebücher führen, um das Gefühl haben zu dürfen, der Nachwelt etwas von ihrer Persönlichkeit zu hinterlassen. Heute nehmen uns Alexa und all ihre Freundinnen und Freunde diese lästige Arbeit ab. Niemand muß sich Sorgen machen, weil das Wissen um uns von privaten Unternehmen genutzt wird. Diesen ist ja bewußt, daß sie nur dann Geld verdienen können, wenn sie uns Gutes tun.