© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/19 / 26. April 2019

Fleisch vom Fleische
Antifa in der linken Hegemonie: Für echte Gesellschaftskritik bleibt wenig Raum
Claus M. Wolfschlag

Vor 30 Jahren begann der Untergang des Sowjet-Imperiums in Osteuropa. Mauerfall und Wiedervereinigung brachten die deutsche Linke kurzzeitig in Schockstarre. Der Kommunismus schien besiegt. Doch das erwies sich rasch als Trugschluß. Spätestens seit den fremdenfeindlichen Ausschreitungen von Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen sowie die Anschläge von Mölln und Solingen 1991 bis 1993 erfolgte das Roll-Back der deutschen Linken. Der „Kampf gegen Rechts“ wurde nun staatlich institutionalisiert. Förderprogramme wurden eingerichtet, die bis heute die Steuer-Millionen an ausgesuchte Einrichtungen spülen. SPD und Grüne fördern so ihnen politisch nahe stehende Politologen, Pädagogen und Initiativen als Unterstützung in der Präventionsarbeit gegen ihre geistigen Gegner beziehungsweise das rechte „Böse“.

Bei linksradikalen Kriminellen und deren Täter-Umfeld wird hingegen gerne weggeschaut. Gerichte urteilen milde. Bekenntnisse zum Grundgesetz werden nicht zugemutet. „Autonome“ Zentren finden sich teils in nie geräumten „besetzten Häusern“ oder in öffentlichen Liegenschaften zu lächerlich günstigen Nutzungskonditionen. Kommt Kritik auf, verweisen sozialdemokratische Politiker auf wertvolle kulturelle oder pädagogische Projekte, die dort stattfänden.

Auf der anderen Seite stehen die Opfer der linken Machtpolitik, aktuell von der AfD. Es sind oft brave Bürger mit naiven Vorstellungen über die demokratischen Institutionen, die sich politisch engagieren wollten, die aber nun mit unerwartetem Haß und Gewalt konfrontiert werden. Sie werden auf dem Weg zu Veranstaltungen bedroht, bespuckt, geschlagen. Und zwar häufig von Demonstrationsbündnissen, bei denen Sozialdemokraten, Grüne, Kommunisten und „Autonome“ offen zusammenarbeiten. Sie werden in Ausstellungen bloßgestellt, im Job gemobbt, ihre Autos gehen in Flammen auf. Die Betroffenen machen also in großer Zahl Erfahrungen mit der politischen Realität der Bundesrepublik jenseits der schönen Sonntagsreden.

Derlei Erfahrungen machten andere schon seit den achtziger Jahren, sie sind aber neu für eine große Anzahl von Bürgern, die sie weitererzählen werden. Ein hoher Vertrauensverlust in das Funktionieren unserer politischen Kultur ist programmiert. Das ist der Preis einer bereits jahrzehntelang stattfindenden Okkupation der Institutionen durch linke Seilschaften. Nun ist die Misere da. Die Posten in den Medien-Redaktionen, Hörsälen, Bildungs- und Kultureinrichtungen sind komplett verteilt, jeder Abweichler wird auf Linie zurückgeprügelt.

Daß es so weit kommen konnte, hat zu einem Teil mit der Trägheit des konservativen Milieus zu tun. Die Zahl der Bücher zu „Rechtsextremismus“, „Neue Rechte“ oder „Rechtspopulismus“, meist als Feindbetrachtung von linken Autoren, geht in die Hunderte. Dergleichen gibt es zum Thema „Linksradikalismus“ kaum. Stattdessen hört man bei Konservativen immer gleiche Stereotypen. Entsetzen, Hilflosigkeit, und dann die bequeme Erläuterung, solch unangenehme Beschäftigung sei gar „nicht der Mühe wert“. Sie hoffen also, das Problem würde schon von allein verschwinden.

Die Opfer wähnen sich machtlos. Und wahrlich steht die moderne Linke im Einklang mit dem weltpolitischen Hauptstrom der Macht. Auch Kommunisten und Anarchisten wollen bequem leben. Trabis und harte Sowjet-Kekse waren Produkte des eigenen ökonomischen Versagens, nicht einer gewollten Askese. Nach 1990 sahen somit die letzten Linken ein, daß mit Planwirtschaft nichts mehr zu reißen war, auch wenn in Lateinamerika diese Erkenntnis erst verzögert eintrifft. Verbaler „Antikapitalismus“ ist heute nur noch ein Instrument, um jugendlichen Nachwuchs zu ködern oder mit „Kommune“-Projekten bei Laune zu halten. Die Linke hat in der Masse ihren Frieden mit dem Kapitalismus und dessen Konsum-Annehmlichkeiten gemacht. 

Dafür hat sie das Feld der Gesellschaftspolitik als Spielwiese überlassen bekommen. Egalitäre Visionen sollen nun über Einwanderung, Feminismus, Gender-Politik und die Abschaffung der Nationalstaaten zugunsten supranationaler Strukturen verwirklicht werden. Sie dienen der Auflösung von Unterschieden zugunsten einer künftigen Gleichheit. Gewachsene Kulturräume werden zugunsten einer stets ähnlich aussehenden „bunten“ Weltgesellschaft zurückgedrängt. Unterschiede zwischen den Geschlechtern werden verwischt. Historische Stadträume machen Siedlungen uniformer Wohnkisten Platz. Diese Arbeitsteilung ist durchaus im Interesse des großen Kapitals, profitiert jenes doch vom ungehinderten Strom der Waren und Billiglöhner im grenzenlos globalisierten Raum sowie von der Normierung der Lebensgewohnheiten.

Die Zeitgeist-Linke und ihr extremer Anhang sind also eigentlich keine Kritiker der Gesellschaft, sondern Fleisch vom Fleische. Sie haben ihre gesellschaftspolitische Spielwiese, solange sie den Interessen der globalen Eliten nicht in die Quere kommen. Und sie dienen der Niederhaltung antiglobalistischer Gesellschaftskritik von konservativer Seite. Nur allzu große Ungezogenheiten des Krawall-Anhangs müssen aus Gründen des Ansehens geahndet werden. Doch die Verhältnisse kommen ins Schwimmen. Eurokrise, Staatsschulden, Rentenproblematik, immer höhere Abgaben für Energie und Wohnraum nagen an der Position der Eliten. Als Sündenbock für jede Misere werden sie den „Rechtspopulisten“ präsentieren. „Adolf ante portas“, wird gerufen, und der Deutsche fügt sich gerne wieder Mama Merkel, Papa Scholz und Doktor Kleber. Wie lange noch, ist ungewiß.