© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/19 / 26. April 2019

Der blanke Haß
Linksextremismus: Gewaltbereite Banden unterwandern die Zivilgesellschaft / Polizei und Verfassungsschutz warnen vor der Eskalation
Martina Meckelein

Sie tragen Schwarz, vermummen sich mit Kapuzen, Sonnenbrillen und Chaotentüchern. Martialisches Auftreten signalisiert Gewaltbereitschaft. Auf Außenstehende wirken Linksextreme auf Demonstrationen wie ein einziger schwarzer Block. Ein bewußt erschaffener Eindruck. Dabei ist der Linksextremismus nicht annähernd einheitlich.

 Linksextreme Gruppen sind je nach Gusto für Anarchismus, Kommunismus, Internationalismus und den bewaffneten Klassenkampf. Sie sind gegen: Deutsche, Amerikaner, Kapitalismus und manchmal sogar gegen Frauen. Ein bunter Strauß der Anti­haltung. Durch das Andocken und Übernehmen berechtigter Kritik der Zivilgesellschaft versuchen sich Linksextreme gesellschaftsfähig zu geben. Das macht die Gruppen aber nicht ungefährlicher. Ganz im Gegenteil. Linksextreme Parolen werden aktuell wohlwollend von Parteien und Medien unterstützt und begleitet.

Verfassungsschutz warnt: 9.000 „Gewaltorientierte“

Dabei übersehen sie deren Gemeinsamkeit: ihren blanken Haß auf das demokratische System, das ihrer Meinung nach bekämpft und abgeschafft gehört. Die Extremisten begehen zunehmend Straftaten, darunter auch schwere. Zum 1. Mai, dem Tag des Hohelieds der linken Gewalt, drohen wieder massive Ausschreitungen. Zeit für eine Bestandsaufnahme. Das Bundeskriminalamt zählte von 2016 auf 2017 einen Anstieg von 5.230 auf 6.393 linksextreme Straftaten in Deutschland – ein Plus von 1.163. Der Anstieg der Fallzahlen erklärt sich aus dem G20-Gipfel und den ihn begleitenden linksextremen Ausschreitungen.

Über 30.000 Linksextremisten zählte das Bundesamt für Verfassungsschutz Ende 2017. Rund 9.000 von ihnen sind „gewaltorientiert“, 7.000 davon werden zu den Autonomen gezählt. Ihre Zentren sind Hamburg, Berlin und Leipzig. Sie agieren fast ausschließlich in den Ballungsräumen. Hier finden sie zivilgesellschaftliche, nicht im linksautonomen oder extremen Milieu verhaftete Unterstützer. Wie auch die Interventionistische Linke (IL) zunehmend die Schülerstreikproteste „Fridays for Future“ gegen Klimawandel instrumentalisiert. Im März berichtete die JUNGE FREIHEIT, daß diese Gruppe sowie die Kampagne „Ende Gelände“ die Demonstrationen instrumentalisieren und zur Teilnahme an den Protesten aufriefen. „Wir registrieren Aufrufe in den sozialen Medien, beispielsweise von der IL, sich an den Protesten zu beteiligen“, sagte eine Sprecherin des Bundesamts für Verfassungsschutz auf JF-Anfrage.

„Linksextremisten sind traditionell in verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Themenfeldern aktiv“, erklärt das Bundesamt. „Sie versuchen bestehende Proteste um eine revolutionäre Komponente zu erweitern und deren Unterstützer im Sinne ihrer Ziele zu instrumentalisieren.“

Eine erfolgreiche Strategie. Ein Beispiel ist die Gentrifizierung. Dabei werden unsanierte Mietshäuser in ehemaligen Arbeitervierteln verkauft, die alten Mieter gekündigt und die Wohnungen anschließend saniert, um sie dann zum Marktpreis anzubieten – meistens als Wohneigentum. Dieser Verdrängungsprozeß zerstört gewachsene Gesellschaftsstrukturen. Beispiele sind Berlin-Prenzlauer Berg, der Hamburger Hansaplatz, Leipzig-Connewitz oder Stuttgart-West. Linksextreme versuchen oft den Eindruck zu erwecken, sich mit den Betroffenen zu solidarisieren. Sie geben vor, ihre Hausbesetzeraktionen seien eine Reaktion auf die Entmietung und Vertreibung der Altmieter. Sie begleiten die Proteste aber nur so lange, wie sie die Ab- und Auflösung gesellschaftlicher Regeln, die sie als „Repression“ empfinden, zelebrieren können.

In der Broschüre „Das rote Berlin“ hat die IL ihre Idee zur Lösung des Wohnungsproblems auf 48 Seiten zusammengefaßt. Auf Seite 40 des schon in zweiter Auflage erschienenen Heftchens ist zu lesen: „Die Medien reagierten verhalten bis gar nicht auf Pamphlete aus der radikalen Linken, aber empathisch auf die Proteste betroffener Mieter*innen und Einzelschicksale von Verdrängung und Wohnungsnot. Auch Parteien zeigten mitunter Interesse an solchen Fällen.“

Die IL will die „sozialistische Stadt“, darunter verstehen sie „Vergesellschaftung“ und „Abschaffung“ des privaten Wohneigentums durch „Beschlagnahmung und Enteignung“. Genau diese Lösung ist es, die zur Zeit von der Politik diskutiert und von Teilen der Linken und Grünen unterstützt wird.

Tierrechtler brennen  Hühnerställe nieder

Die IL ist eine der gefährlichsten und brutalsten Gruppen. Sie besteht nach eigener Darstellung aus über 30 linksradikalen Ortsgruppen in Deutschland und Österreich. Es geht ihr um einen Systemwechsel: „Ziel ist eben das Weitertreiben vieler Teilkämpfe gegen Wohnungsmarkt und Marktwirtschaft. Lernen müssen wir dabei, diese Kämpfe weder als Instrument noch als Identität zu sehen – wir müssen sie als Strategie, als Teil eines großen Kampfes ums Ganze lesen und führen.“ Der Verfassungsschutz kommt zum Ergebnis: „Die Verbesserung der Lebenssituationen von Mietern in den deutschen Großstädten ist aber nur ein vordergründiges Anliegen, welches die IL mit ihrem Engagement in den Mietprotesten verfolgt.“

Eine weitere Variante des Linksextremismus bildete sich in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die Extremisten entdeckten den Tierschutz und radikalisierten ihn. Vorgeblich geht es um Tierrechte. Es heißt, Tiere seien Individuen, die mit eigenen Rechten ausgestattet sind. Sie seien dem Menschen gleichgestellt. Jegliche Nutzung eines Tieres wird daher abgelehnt.

Die Animal Liberation Front (ALF), die Tierbefreiungsfront, ist der deutsche Ableger des, nach eigenen Angaben, 1976 in Großbritannien gebildeten Netzwerks von radikalen linksautonomen Tierschützern. Gewalt gegen Sachen – nicht gegen Menschen – halten sie für legitim. Einbrüche in Schweinemastanlagen, Zerstörung von Hochsitzen, das Zerschneiden von Pelzjacken gehört zum Repertoire der Tierrechtler. Am 30. November 2018 brannten sie vermutlich eine Geflügelmastanlage für bis zu 40.000 Hühner in Altenwahlingen (bei Walsrode) nieder. Tiere befanden sich zum Zeitpunkt des Feuers nicht in der Anlage. Die Walsroder Zeitung berichtet, daß „vieles auf einen Brandanschlag von militanten Tierschützern“ hindeute. So wurde an der Anlage ein Graffito mit der Aufschrift: „Stop Capitalism“ und „ALF“ gefunden. Die Polizei ermittelt noch.

Herrschaftsverhältnisse radikal hinterfragen – das Motto auf der April­ausgabe des 112seitigen Magazins Tierbefreiung der anarchistischen „Tierbefreier“. Auf der linksextremen Internetseite Indymedia veröffentlichte ein Benutzer namens „Aktivisten“ am 16. November 2018 eine Pressemitteilung: „Derzeit befinden sich 30 Umwelt- und Tierrechtsaktivist*innen in einer Sitzblockade vor der EuroTier (weltweit größte Tier- und Tierproduktmesse, in Hannover) und verschließen so den Nordeingang. Auf einem großen Banner ist zu lesen: ‘Capitalism kills people, animals and our planet.’“

Prodeutsche Maoisten tragen Designerjacken

Benutzer Youssef A. erklärt hierzu: „In der kapitalistischen Wirtschaft geht es um Profit. Die Bedürfnisse von Menschen und Tieren und die Erhaltung der Natur spielen keine Rolle. Die Folgen auf der ganzen Welt sind katastrophal: Klimawandel, Armut, Ausbeutung und brutale Gewalt gegen fühlende Lebewesen. Der globale Kapitalismus produziert also soziale Ungleichheit – auf dieser Grundlage gedeihen auch Rassismus und Sexismus.“

Die Gruppe Tierbefreiung Hamburg versteht sich ebenfalls als Teil einer globalen Bewegung. Ihr Erkennungsmerkmal ist ein Anarcho-Stern mit gereckter Faust und Hundepfote. Sie setzt sich für die „Befreiung von Tieren aus dem ihnen gesellschaftlich auferlegten Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnis ein und fordert damit einhergehend das Ende der institutionalisierten und systematischen Gewalt an Tieren“. Diese Revolutionäre wollen nichts mit den regulären Tierschützern zu tun haben: „Im Unterschied zum traditionellen Tierschutz verfolgt die Tierbefreiungsbewegung nicht das Ziel der Reform der Gewalthandlungen an Tieren, sondern deren Abschaffung.“ Auf der Facebook-Seite von Animal Rights Watch (ARIWA) – sie hat 2.081 Follower – sind Termine für die weltweite Demonstrationsreihe „Schlachthäuser schließen“ veröffentlicht. In Deutschland startet die Sause am 18. Mai in Hamburg.

Doch mit Gentrifizierung, Klimawandel und gequälten Nutztieren ist nicht jeder junge Antifaschist oder der, der es einmal werden will, zu ködern. Junge Männer, die teure Jacken von Nike und Wellensteyn tragen, die USA und Israel nicht mögen, gehen zum „Jugendwiderstand“ in Berlin-Neukölln. Hier feiern Männlichkeitswahn, Gewalt und Frauenverachtung fröhliche Urständ. Und zwischendurch geht es in die Muckibude. So gestählt sprayen die bekennenden Maoisten: „Antideutsche totschlagen“ und meinen dabei: „auch Linke“. Die Schmierereien auf Hauswänden sind mit Hammer und Sichel garniert.

Am 1. Mai werden diese linksextremistischen Gruppen wieder durch Berlin marschieren. Statt wie bisher in Kreuzberg werden sie sich auf dem Wismarplatz in Friedrichshain sammeln. Das Motto der bisher unangemeldeten Demonstration: „Gegen die Stadt der Reichen“. Blieb es in den vergangenen Jahren vergleichsweise ruhig, rechnet die Polizei diesmal mit einem höheren Gewaltpotential. Auch in Grunewald, dem Berliner Villenstadtteil, wollen die Linksextremen demonstrieren. Vergangenes Jahr begingen dort 3.000 Krawallos hundert Straftaten. Die Bezirksverordnetenversammlung hat sich laut Tagesspiegel von der Demonstration distanziert – gegen die Stimmen von Grünen und Linken.

Ist es Angst oder Sympathie gegenüber den Linksextremisten, die den Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), am vergangenen Samstag dazu veranlaßte, ein überraschendes Gedankenexperiment zu veröffentlichen? Auf Facebook überlegt Schmidt, ob der Berliner Senat die Liebigstraße 34, ein vorwiegend von linksextremistischen Frauen besetztes Haus, auf Steuerzahlerkosten eintauschen könnte. Der Pachtvertrag des Hauses, in unmittelbarer Nähe der Rigaer Straße, war vergangenes Jahr ausgelaufen, der Eigentümer will einen Räumungstitel erwirken. Schmidt erklärte hingegen, er habe eine Fristverlängerung im Gerichtsverfahren erwirkt. „Es geht darum, ein einzigartiges Hausprojekt zu erhalten“, schrieb Schmidt. „Man muß nicht Teil der Rigaer-Szene sein, um hier solidarisch zu sein. Ich denke, daß die ganze Stadt hinter einem großen Engagement der Politik stehen wird und dies auch einfordert.“ Der Tagesspiegel schreibt dazu: „Kurz vor dem 1. Mai, wenn die linke Szene durch den Rigaer-Kiez ziehen will, versucht der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg und Grünen-Politiker Florian Schmidt (Grüne) offenbar, die brenzlige Lage mit einem neuen Vorstoß zu entschärfen.“