© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/19 / 26. April 2019

Grüße aus Rom
Eine Insel im Chaos
Paola Bernardi

Es ist Frühling in Rom. Die ersten Sonnenstrahlen am Morgen erhellen die zahlreichen Kuppeln und Dächer der Ewigen Stadt und lassen sie in mattem Rosa und Gold aufschimmern. Dies sind die Momente, die die Besucher aus aller Welt sprachlos machen und sie ein Leben lang schwärmen lassen. „La Grande Bellezza“ Roms schlägt alle in Bann, läßt die alltägliche Misere vergessen. So die mafiöse römische Stadtverwaltung unter einer unfähigen Bürgermeisterin. Ebenso den Verfall und Vandalismus wie die römischen Müllberge in den Straßen, die nicht kleiner werden und die kaputten Metrostationen. Auch der jüngste Aufstand der Römer gegen eine Neu-Ansiedlung von Roma-Familien in ihrem Quartier, unterstützt von den Rechtsextremisten von Casa Pound und Forza Nuova, zählt nun nicht mehr.

 Und doch gibt es in dieser wild brodelnden Stadt noch Rückzugsorte,  die die ramponierte Gegenwart völlig vergessen lassen. Zum Beispiel der „Nuovo Circolo degli Scacchi“ (Schach-Club) in der via del Corso, genau gegenüber dem Goethehaus, in dem der deutsche Dichter lebte und arbeitete. Hier, in diesem barocken Palazzo Rondadini sitzt der exklusivste Club Roms. 

Sogar der spätere Papst Benedikt XVI. war hier öfter als Joseph Kardinal Ratzinger zu Gast.

Natürlich spielt hier keiner Schach. Es ist ein reiner gesellschaftlicher Männerclub von rund 650 Mitgliedern, als Frau muß man  eingeladen werden, um hier die Feste zu feiern, die Dinners zu goutieren oder einfach nur einen abendlichen Cocktail zu genießen. 

Die Zeit scheint hier stillzustehen. Kellner mit weißen Handschuhen servieren auf silbernen Platten in diskreten Räumen, oder man feiert im großen Saal.

Adel, Militär, höchste Würdenträger aus dem Vatikan und Botschafter trifft man hier. Sogar der spätere Papst Benedikt XVI. war hier öfter als Joseph Kardinal Ratzinger zu Gast. Man erlebte ihn, wie er sich intensiv an den Gesprächen beteiligte.

 Manch ausländischer Botschafter erlebte hier im heißen römischen Sommer seine persönliche Blamage, wenn er im hellen Sakko in den Club marschierte. Ein diskretes „Non“ an der Pforte, und er mußte einen dunklen Leih-Blazer überziehen. Auf Etikette wird sehr geachtet. Auch die Chefs der italienischen Geheimdienste  lieben diesen diskreten Club. Hier können ungestört weltweite Intrigen gesponnen werden, wie man es im Roman „Der Salamander“ von Morris L. West bereits nachlesen kann. Eine römische Insel: man muß sie nur kennen.