© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/19 / 26. April 2019

Aus dem Zwei- ist ein Fünfkampf geworden
Spanien: Nach Sturz der konservativen Regierung und anschließender Unfähigkeit der Linkskoalition ist nun der Wähler am Zug
Wolfgang bendel

Der reguläre Termin zu den Wahlen der Cortes Generales, wie das spanische Parlament heißt, wäre erst im Juni 2020 gewesen. Doch nun finden bereits  am 28. April, also vier Wochen vor der Europawahl, vorgezogene Parlamentswahlen statt. Die Abstimmung wurde vorverlegt, weil die sozialistische Minderheitsregierung von Pedro Sanchez, nachdem sie ihren Haushaltsentwurf nicht durchbringen konnte, sofort das Parlament auflöste. 

Sanchez hatte während der abgelaufenen Legislaturperiode Mariano Rajoy von der liberal-konservativen Partido Popular (PP, Volkspartei) mittels Mißtrauensvotum im Juni 2018 abgelöst. Hintergrund des Machtwechsels waren neben dem Streit um die einseitige Unabhängigkeitserklärung Kataloniens Korruptionsanklagen gegen Personen aus dem Umfeld der PP und Rajoys gewesen. 

Hinzu trat die Ablehnung der eher restriktiven Immigrationspolitik der PP-Regierung durch die linken Parteien. Zu den ersten Schritten der neuen Regierung gehörte dann auch folgerichtig, daß man Schiffe von Menschenschmugglern, denen die Anlandung in Italien untersagt worden war, nach Spanien umleitete. Inzwischen freilich erschöpft sich die Migrationspolitik der Spanier wieder darin, illegale Einwanderer nach Norden durchzuwinken.

Bis vor wenigen Jahren dominierten Spaniens Parteiensystem zwei landesweit agierende Organisationen, die PSOE (Spanische Sozialistische Arbeiterpartei) und die PP. Andere spanienweit aktive Parteien wie die kommunistische IU (Vereinigte Linke) spielten hingegen kaum eine Rolle. Um so einflußreicher sind dafür die zahlreichen Regionalparteien.  Dies gilt vor allem für Katalonien, das Baskenland, die Kanarischen Inseln und Galizien. Aber es gibt keine Region, in der nicht die eine oder andere Regionalformation eine gewisse politische Rolle spielt. 

Vox-Partei als Zünglein an der Waage 

Dies änderte sich, als 2014 die weit links gerichtete Partei Podemos (Wir können) gegründet wurde. Diese erzielte schon bei der Wahl 2015 rund 20 Prozent der Stimmen und reihte sich an der dritten Stelle im Parteiensystem ein. Inzwischen ist ihr Stern wieder im Sinken begriffen. Gründe dafür sind ihr Wahlbündnis mit der linksextremen IU unter der Bezeichnung Unidos Podemos (Vereint können wir), das vielen gemäßigt linken Wählern mißfällt, Korruptionsvorwürfe gegen ihren Vorsitzenden Pablo Iglesias und ein Streit zwischen Iglesias und dem Sprecher der Parlamentsfraktion.

Kurz nach der Gründung von Podemos breitete sich eine kleine liberale Regionalpartei mit dem Namen Ciudadanos (Bürger) spanienweit aus, die ebenfalls sofort bei nationalen Wahlen erfolgreich war. Seit den Regionalwahlen in Andalusien Ende 2018 rückte schließlich mit der rechtsgerichteten Vox (lateinisch für Stimme) eine weitere Partei ins Blickfeld. Vox gelang bei dieser Wahl das Kunststück, in der Wählergunst von unbedeutenden 0,4 Prozent auf elf Prozent zu springen und auf einen Schlag zu einem unübersehbaren Faktor der spanischen Politik zu werden. 

Am Vorabend der Wahlen zu den Cortes ist in Spanien aus dem Zwei- ein Fünfparteiensystem geworden, zu dem sich die erwähnten Regionalparteien gesellen. Das Ergebnis ist eine enorme Zersplitterung. Den letzten Meinungsumfragen (electrocracia.com) von Mitte April zufolge liegen von den spanienweiten Parteien die PSOE bei 30 Prozent, die PP bei 21 Prozent der Stimmen. Von den drei jüngeren Parteien kommen die rechtsbürgerliche Ciudadanos auf 14 Prozent, Podemos und Vox jeweils auf 13 Prozent. 

Spaniens Rechtspartei bringt im Rahmen der aktuellen Wahlkampagne bei ihren Veranstaltungen unter dem Motto „Spanien zuerst“ regelmäßig Tausende Menschen auf die Beine. Beispielsweise Ende März, als in Barcelona circa 5.000 Personen gegen die Unabhängigkeit Kataloniens demonstrierten.