© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/19 / 26. April 2019

Umwelt
Ohne Dogma
Volker Kempf

Wenn Alice Weidel ihre „Widerworte“ in Buchform (JF 13/99) vorlegt, wird politisch genau hingeschaut. Als Ökologin ist die AfD-Fraktionschefin bislang nicht aufgefallen. Dabei sind ihre Widerworte zur real existierenden linksgrünen Bewegung gleichwohl analytisch klar. Die romantische Liebe der Deutschen zu Wald und Natur verbindet sich mit der 68er-Bewegung und mutiert zur Ersatzreligion – allerlei Dogmen. Nur mit Umweltschutz hat das oft gar nichts mehr zu tun. Und wohin führt das Ganze? Zur Deindustalisierung Deutschlands, zuletzt über den Angriff auf die Autoindustrie und Chemie. Jugendbewegtheit trifft hier auf eine nüchterne Analytikerin. Eine Alternative zu Rationalismus, Aufklärung und ökonomischem Sachverstand sieht Weidel nicht. Bei den Politikfeldern, zu denen die Wirtschaftsliberale Position bezieht, fehlt am Ende das der Ökologie.

Aber was Ökologie für die AfD insgesamt bedeutet, bleibt am Ende unscharf.

Das ist auch das Dilemma der AfD, sie ist analytisch oft durchaus von ketzerischer Treffsicherheit. Aber was Ökologie für Weidel wie auch die Partei insgesamt bedeutet, bleibt am Ende unscharf. Vielleicht ist einfach eine Fortsetzung nötig, die aus der Feder von Alexander Gauland stammen könnte. Der AfD-Chef hatte während seiner EU-Wahlkampferöffnungsrede in Offenburg deutlich gemacht, daß linksgrüne Möchtegernökologen die Frage der Bevölkerungsentwicklung ausblenden. Allein pro Woche gibt es eine Million Afrikaner mehr. Das kann ökologisch nicht gutgehen, da hilft auch keine Massenauswanderung nach Europa. Und schon gar nicht kann es angehen, Kinder hierzulande als ökologische Belastung abzutun und ein kinderfeindliches Klima zu schaffen. Der Konservative läßt die Kirche im Dorf. Weidel und Gauland ergänzen sich, einmal mit spitzer Feder hier, ein andermal am Rednerpult dort. Ökologie ohne Dogma, das könnte die AfD-Vision sein, die den Linksgrünen das Wasser abgräbt.