© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/19 / 03. Mai 2019

Schrumpfende Pfründe
Parteienfinanzierung: Daimler-Spendenrückzug sorgt in der Politik für Verstimmung
Jörg Kürschner

Die Zeiten, in denen Flick-Manager Eberhard von Brauchitsch zweistellige Millionenspenden des Unternehmens an Parteien, Stiftungen und Politiker ungeniert als „Bonner Landschaftspflege“ bezeichnete, sind längst vorbei. Anfang der achtziger Jahre bewegten Ministerrücktritte und Strafverfahren infolge der Flick-Parteispendenaffäre die alte Bundesrepublik. Von einer Gefährdung der Demokratie sprach seinerzeit niemand. Dazu bedurfte es rund 30 Jahre später erst der Erklärung des Daimler-Konzerns, alle Parteispenden für dieses Jahr zu streichen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß empörte sich: „Verantwortungslos, demokratiegefährdend, dumm“. 

Zur Überraschung einiger Partei-Schatzmeister hatte das Automobilunternehmen verlauten lassen, „unabhängig von aktuellen politischen sowie wirtschaftlichen Ereignissen werde man 2019 den Schwerpunkt auf Projekte der Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur sowie des Naturschutzes legen“. Die harsche Reaktion mag damit zusammenhängen, daß CDU und CSU regelmäßig Spitzenreiter bei den Spenden sind. Im Wahljahr 2017 konnte sich die CDU über mehr als 35 Millionen Euro freuen. Die höchste Einzelspende hat die CSU verzeichnet. 625.000 Euro machte der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie locker. Daimler hat im vergangenen Jahr 320.000 Euro an Parteien gespendet, davon 100.000 Euro an CDU und SPD, je 40.000 an Grüne, CSU und FDP. Linke und AfD gingen leer aus. Inoffiziell heißt es, Spenden erhielten nur Parteien mit eindeutig demokratischer Gesinnung sowie einer positiven Einstellung zur sozialen Marktwirtschaft und zu Europa. Kein Wunder, daß auch CSU-Schatzmeister Thomas Bauer giftete: „Daimler leistet einen Beitrag zur Schwächung der Demokratie“. Und er fügte ehrlich hinzu: „Uns tut eine solche Entscheidung weh“. 

Hitzige Formulierungen verbieten sich für den langjährigen und auf dem Parteitag am vergangenen Wochenende wiedergewählten FDP-Schatzmeister Hermann Otto Solms. „Der Prinz“, wie er aufgrund seiner adligen Herkunft in der Partei genannt wird, verweist lieber auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1992. Damals befanden die höchsten deutschen Richter, Parteien müßten sich auch bei ihren Mitgliedern, den Bürgern und bei Kapitalgesellschaften um finanzielle Unterstützung bemühen, damit sie nicht allein auf Staatsgelder angewiesen seien. Im Umkehrschluß, so Solms, erwachse den Unternehmen eine Mitverantwortung für die Politik. Der in der Wirtschaft angesehene, erfolgreiche Spendenakquisiteur will noch versuchen, Daimler umzustimmen. 

Wirtschaft setzt schon länger eher auf Sponsoring

SPD und Grüne vermieden Stellungnahmen zu der Daimler-Entscheidung, vielleicht weil die Spenden aus der Wirtschaft weniger hoch ausfallen. Die Linke nimmt nach eigener Aussage keine derartigen Spenden an, fordert seit langem, daß Parteien kein Geld mehr von Unternehmen, Wirtschaftsverbänden und Vereinen annehmen dürften. Im AfD-Parteiprogramm heißt es: „Unabdingbar ist auch eine restriktive und Korruption vermeidende Neuordnung der Spendenregelungen. Ferner soll den deutschen Parteien die Beteiligung an Unternehmen sowie die Annahme von Firmen-Spenden verboten werden“. 

CSU-Kassenwart Bauer bedauerte zuletzt öffentlich, daß die einst sprudelnden Spendenquellen bereits seit einiger Zeit nur noch tröpfeln. „Seit Jahren gehen die Spenden gerade großer Unternehmen zurück“. Siemens, BMW, VW kämen „ihrer demokratischen Verpflichtung nicht mehr nach“. Vermutungen wurden geäußert, Daimler gehe es mit dem Spenden-Stopp nur darum, das durch Abgasmanipulationen lädierte Image der Konzerne aufzupolieren. Und es wurde auch gemutmaßt, die Autoindustrie wolle sich an der Politik rächen wegen der Differenzen bei Dieselkrise und Elektromobilität.

Übersehen wird dabei, daß die Wirtschaft sich seit einiger Zeit auf das Sponsoring verlegt hat. Unternehmen mieten auf Parteitagen Stände an und machen dort Werbung für ihre Produkte. So versorgte der chinesische Technologiekonzern Huawei die Gäste des FDP-Parteitags am Freitag abend mit erlesenen Weinen. Meist gesellen sich Parteichefs zu einem verabredeten Zeitpunkt dorthin und finden freundliche Worte für die Aussteller. Die PR-Abteilung des Unternehmens vermarktet später die Hochglanzfotos.  

Die Sorge, ausbleibende Spenden könnten nur durch drastische Sparmaßnahmen aufgefangen werden, treibt Union und SPD schon länger um. Dazu kommt der einschneidende Rückgang der Wahlkampfkostenerstattung aufgrund des Stimmenschwunds bei der Bundestagswahl 2017. Deshalb haben die Koalitionsfraktionen im Sommer 2018 im Hauruckverfahren eine Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung beschlossen. Seit Jahresbeginn bekommen alle Parteien 25 Millionen Euro mehr vom Staat, nämlich 190 Millionen Euro. FDP, Grüne und Linke haben gegen den Gesetzesbeschluß Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Der AfD-Politiker Thomas Seitz sprach im Bundestag von einer „Schmierenkomödie“ und warf Union und SPD vor, sie kämpften für ihre „ganz persönliche Bereicherung“.