© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/19 / 03. Mai 2019

Ohne Siedlungsraum kein Überleben
Wahlen in Südafrika: Ein Parlamentarier befürchtet, der ANC könnte „alle weißen Farmer umbringen wollen“
Mina Buts

Herr Dr. Mulder, Sie sind seit über 30 Jahren Abgeordneter für die konservative „Freiheitsfront Plus“ im südafrikanischen Parlament. Am 8. Mai finden in Südafrika Wahlen statt. Wie sind die Aussichten für die Freiheitsfront Plus, den ANC und die noch radikaleren Economic Freedom Fighters (EFF) unter Führung von Julius Malema?

Corné Mulder: Es zeichnet sich jetzt schon ab, daß der ANC bei den Wahlen an Unterstützung verlieren und damit auch an Bedeutung abnehmen wird. Es ist noch nicht einmal sicher, ob diese Partei überhaupt wieder über 50 Prozent der Stimmen bekommen wird, da wage ich keine Prognose. Ich befürchte aber, daß der ANC die Forderungen der EFF, die da lauten, zuerst alle weißen Farmer mitsamt ihren Frauen, Katzen und Hunden umzubringen, um anschließend deren Land zu enteignen, zum Teil übernehmen könnte. Der andere große Verlierer wird die Demokratische Allianz (DA) sein, die bislang größte Oppositionspartei. Sie verliert sehr stark, vor allem unter Afrikaans sprechenden Menschen. 

Woran liegt das?

Mulder: Die DA stellt heute einen Einheitsbrei dar, eine einzige braune Masse. Die Menschen sind die Arroganz dieser Partei leid und wollen das nicht mehr. Das wird sich in den Wahlergebnissen niederschlagen. Die Inkatha Freedom Party, die vor allem in KwaZulu-Natal vertreten ist, dürfte erheblich besser abschneiden als in den vergangenen Jahren. Und die Freiheitsfront Plus wird ganz sicher besser abschneiden; beides stimmt mich sehr optimistisch.

Wie sieht denn die Zukunft der weißen Buren in Südafrika aus?

Mulder: Tja, das ist etwas, das negativ und schlecht ist. Aber wir weißen Südafrikaner, wir Buren sind positive Menschen. Wir leben seit 367 Jahren als eine Minderheit in Südafrika und wir sind nach wie vor eine Minderheit. Natürlich wäre es für uns einfacher, Pläne zu schmieden, wenn wir eine irgendwie geartete Mehrheit hätten, doch was uns verbindet, ist unser Kontinent. Ich sage immer, nach 367 Jahren in Afrika ist Afrika Teil von uns geworden, und ich sehe mich selbst als afrikanischen Menschen, ich bin kein Europäer. Es wird uns gut gehen und wir werden gut leben, unser Kontinent wird uns verbinden. Und ich bin überzeugt davon, daß gute Menschen gemeinsam eine erfolgreiche Politik für unser Land Südafrika machen können, wenn die radikalen Kräfte, die es auf beiden Seiten gibt, an Einfluß verlieren.

Was denken Sie über die Orania-Bewegung, die selbstverwaltete Burengemeinschaft am Orania-Fluß, in der ausschließlich Buren zusammenleben und die wirtschaftlich sehr erfolgreich ist?

Mulder: Ich unterstütze voll und ganz, was die Oranier tun, das ist sehr positiv. Die Entstehung und Entwicklung von Orania wird ermöglicht durch Südafrikas Verfassung, genauer gesagt Artikel 235, der eine Selbstbestimmung in einem bestimmten Gebiet möglich macht. Wir von der Freiheitsfront Plus unterstützen das Projekt der Oranier zu einhundert Prozent. Ich sehe aber auch: Wenn man eine Minderheit im eigenen Land ist und keine geographische Basis hat, auf der man sich selbst organisieren kann, dann würde man nicht überleben. Man muß einen festgelegten Siedlungsraum haben – das ist das, was Orania auszeichnet und so erfolgreich macht.

Was ist mit der umstrittenen Landreform? 

Mulder: Die Menschen fühlen sich unsicher in Südafrika, weil unsere Regierung mit ausgedienten, mißlungenen politischen Vorstellungen daherkommt wie der entschädigungslosen Enteignung von Grundbesitz. Das ist nichts anderes als das, was der gewöhnliche Afrikaner als Diebstahl bezeichnet. Die Regierung überlegt also, uns zu bestehlen. Und sie duldet die Angriffe auf die weißen Farmer: Seit 1993 wurden mehr als 2.300 Farmer ermordet, es wird aber bei diesen Überfällen nichts geraubt. Die Regierung weigert sich, diese Verbrechen als gezielte Attacke auf weiße Farmer anzuerkennnen. Die Diskussion um die entschädigungslose Enteignung, die von unserem Ministerpräsidenten Ramaphosa mit geführt wird, schreckt nicht nur potentielle ausländische Investoren ab, sondern beängstigt vor allem die weißen Farmer.

Das erklärt, warum viele Weiße darüber nachdenken, auszuwandern oder es sogar tun.

Mulder: Ja, deswegen schauen sich die Buren nach anderen Optionen um und suchen nach anderen Siedlungsgebieten irgendwo auf der Welt. Wenn wir allerdings frei entscheiden könnten, dann würden wir alle daran festhalten, daß Südafrika unser Vaterland bleibt. 

Halten Sie es denn für möglich, daß in Südafrika ein eigener Burenstaat entsteht?

Mulder: Oh ja, ich halte das für möglich. Das ist ja auch das, was uns die Orania-Bewegung schon im kleinen Maßstab vorlebt, nur in einer anderen Entwicklungsstufe. Was uns verbindet, das ist Südafrika. Aber schauen Sie, Südafrika ist ein künstlich geschaffener Staat mit willkürlichen Grenzen, die von der englischen Kolonialmacht 1910 gezogen wurden, und dann kam der Slogan: „We are all South Africans“. Das war aber nicht unsere Sprache. Ich spreche in Südafrika Afrikaans, aber es gibt auch Leute, die sprechen Englisch, Zulu, Xhosa oder eine andere der vielen offiziellen Landessprachen. Wenn der Staat heute alle Volksgruppen und Stämme zusammenhalten möchte und das auch auf eine friedliche Art will, dann ist das möglich. Das ist meine feste Überzeugung. Er darf aber nicht versuchen, die 25 Glaubensgemeinschaften, die 14 offiziellen Landessprachen, die acht Religionen, die 31 kulturellen Gruppen und neun Volksgruppen, die in unserem Land zusammenleben, zu einem „Smoothie“ zu vermischen – mir gefällt das Bild von einem „Obstsalat“ besser, bei dem Eigenheiten erhalten werden. Das ist übrigens auch eine Warnung an Europa – auch hier sollten die Länder und Völker auf ihren Eigenarten beharren und sich nicht zu einem „vermixen“ lassen.

Also sehen Sie die Zukunft von Südafrika nicht ganz so negativ?

Mulder: Wenn der ANC an der Macht bleibt, ist das negativ. Denn dann werden alle bekannten Mängel und Fehler wiederholt, ob man sich die Entwicklung in Simbabwe oder jetzt aktuell in Venezuela anschaut. Das ist nicht erfolgreich. Aber glücklicherweise kommt eine Zeit, in der man begreift, was die wirkliche Lösung für Südafrika ist. Wir müssen die Diversität unseres Landes erkennen und das als unsere Stärke nutzen. Dann bin ich optimistisch.






Dr. Corné Mulder ist parlamentarischer Geschäftsführer der südafrikanischen „Freiheitsfront Plus“. Er ist einer von vier Abgeordneten der Partei in der Nationalversammlung. Die  Versammlung ist die zweite Kammer des Parlaments und besteht aus 400 Sitzen. Die Nationalversammlung wählt den Präsidenten und beschließt Gesetze.