© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/19 / 03. Mai 2019

Der „Stolz Spaniens“ sitzt nun im Parlament
Parlamentswahl in Spanien: Regierende Sozialisten gewinnen dank hoher Wahlbeteiligung / Wählerwanderung im konservativen Lager
Wolfgang Bendel

Die Wahlen zu den Cortes – dem spanischen Parlament – gewann mit deutlichem Vorsprung die Spanische Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE). Im zukünftigen spanischen Abgeordnetenhaus ist die Partei mit 123 Sitzen (2016: 85) vertreten. Die konservative PP (Volkspartei) wurde halbiert und kommt auf 66 Sitze (2016: 137), die liberalen Ciudadanos (Bürger) legten auf 57 Sitze zu (2016: 32), die extrem linke Partei Unidas Podemos (Vereint können wir) erhielt 42 Sitze (2016: 75 Sitze). Erstmals im Parlament vertreten ist die Rechtspartei Vox mit 24 Sitzen. Der Rest der insgesamt 350 Sitze verteilt sich auf eine große Zahl regionaler Parteien, vornehmlich aus Katalonien und dem Baskenland.

Die knapp 29 Prozent machen die PSOE zur eindeutig stärksten Partei im Land. 2008 hatte sie allerdings noch 44 Prozent. Ihr Sieg ist teilweise auf die hohe Wahlbeteiligung von 75 Prozent (2016: 66 Prozent) zurückzuführen. Gerade in instabilen Zeiten neigen wenig politisierte Menschen dazu, der jeweiligen Regierungspartei ihre Stimme zu geben.

Parteivorsitzender Pedro Sánchez kommentierte: „Wir haben gezeigt, daß wir gegen Reaktion und Rückschritt gewinnen können.“ Sánchez, der bisherige und vermutlich auch zukünftige Ministerpräsident des Landes, wird für eine Regierungsbildung mindestens zwei weitere Parteien als Koalitionspartner brauchen. Mit der feminismusgerecht in Unidas statt Unidos Podemos umbenannten Partei von Pablo Iglesias allein kommt er auf keine Mehrheit. Auch wenn die sechs Sitze der Baskischen Nationalpartei dazukommen, reicht es nicht. Sánchez wird wohl versuchen, eine Partei aus dem linken Spektrum Kataloniens zu finden, um zu einer Parlamentsmehrheit zu gelangen. Allerdings wird eine solche Partei Zugeständnisse verlangen, was die Unabhängigkeit Kataloniens betrifft. Eine Forderung, der Sánchez nicht so einfach nachgeben kann.

Für die Volkspartei PP ist das Wahlergebnis eine riesige Pleite. Sie verlor sowohl an Ciudadanos als auch an Vox. Der Schlingerkurs der Partei um ihren Vorsitzenden Pablo Casado brachte nichts ein. Sein Rücktritt steht im Raum. Die Entscheidung wird nach den anstehenden Kommunal- und Europawahlen fallen.

Das Auftrumpfen der rechtsliberalen Ciudadanos kommt in seinem Ausmaß überraschend und eröffnet ihr die Möglichkeit einer Mitte-Links-Koalition mit der PSOE. Viele Ciudadanos Wähler und Mitglieder stehen linkem Gedankengut aber eher fern, denn die Partei hatte sich ja ausdrücklich als bürgerliche Protestorganisation in Reaktion auf das Entstehen der linkspopulistischen Podemos gebildet.

Unidas Podemos schnitt weniger schlecht ab als von den Demoskopen erwartet. In den Fernsehdiskussionen kurz vor der Wahl, von denen Vox bezeichnenderweise ausgeschlossen worden war, konnte der Podemos-Chef punkten.

Das Ergebnis von Vox blieb unter den hochgesteckten Erwartungen. Gut zehn Prozent der Stimmen ist aber beachtlich, im Vergleich zu 0,2 Prozent in 2016. Die Partei hatte sich im Wahlkampf gegen illegale Einwanderung, Gender Mainstreaming und die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen positioniert. Erstmals in der Zeit nach Francos Diktatur wird in den Cortes eine Rechtspartei vertreten sein, wenn man von dem Gastspiel des Einzelkämpfers Blas Piñar absieht, der von 1979 bis 1982 für die Unión Nacional im Abgeordnetenhaus saß. Vox Generalsekretär Javier Ortega Smith kommentierte das Wahlergebnis wie folgt. „Landsleute, der Widerstand ist jetzt innerhalb des Kongresses. Ab morgen werden Millionen Spanier, die zum Schweigen gebracht und vergessen worden waren, eine Stimme haben.“ 

Auch Vox-Präsident Santiago Abascal bedankte sich bei den Wählern. Sie seien „willkommen beim Widerstand“. Und die 24 Abgeordneten „repräsentierten nun den Stolz Spaniens.“