© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/19 / 03. Mai 2019

Knapp daneben
Wissen ist unethisch
Karl Heinzen

An Möglichkeiten, sich für irgendwas mit Umwelt symbolisch oder sogar praktisch einzusetzen, ist in Deutschland kein Mangel. Wer nicht Rentner ist und das mutmaßlich in unverantwortlicher Weise zusammengeraffte Vermögen der Eltern ökologisch gewissenhaft durchbringen darf, hat die Qual der Wahl, weil er nicht unentwegt Zeichen setzen kann, sondern irgendwann auch noch arbeiten muß.

Bis zum 16. Juni wird das Überangebot an Optionen für sinnerfülltes Umweltengagement noch um ein weiteres bereichert. Bis zu diesem Tag läuft die zweimonatige #kaufnix-Kampagne, von der die Deutsche Umweltstiftung soeben die Öffentlichkeit in Kenntnis gesetzt hat. Die martialische Ankündigung, dem unbedachten Konsum „den Kampf“ ansagen zu wollen, könnte die Erwartung wecken, daß nun ökologische Paramilitärs mit „Kauft nichts bei niemandem“-Transparenten im großen Stil Geschäfte abriegeln und Kunden verscheuchen. 

Mitstreiter dürfte es genügend im Hambacher Forst und auf den Freitagsdemos zu rekrutieren geben. 

Einfach zu rekrutieren wären sie sicher im Hambacher Forst oder vielleicht auch beim freitäglichen Greta-Thunberg-Karaoke, dessen harter Kern es auf Dauer als spießig empfinden dürfte, immer bloß als Sympathieträger mißbraucht zu werden. Im Boykott von Geschäften verfügen die Deutschen zudem über gewisse Erfahrungen, und diesmal dürfte man nicht bloß gegen eine Minderheit, sondern gegen alle Ladenbesitzer vorgehen.

Mit ein bißchen Militanz das recht fade Ökokampagneneinerlei aufzupeppen, ist aber nicht die Intention der Deutschen Umweltstiftung. Sie wurde von intellektueller Prominenz wie Ernst Ulrich von Weizsäcker, Günter Grass und Bernhard Grzimek gegründet. Diesem Anspruch will sie leider treu bleiben und in den zwei Monaten ausführlich erklären, warum etwas, das sie Suffizienz nennt, die Alternative zum Wachstum sein soll. Ob das bei einem solch komplexen Thema in so kurzer Zeit wirklich gelingen kann? Und wer hat überhaupt die Geduld zuzuhören, wo doch ganz schnell etwas getan werden muß? Wissen ist unethisch. Wer die Welt retten will, darf nicht die Zeit damit verplempern, sie verstehen zu wollen.