© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/19 / 10. Mai 2019

„Die Lehrer stehen drauf“
Indoktrination: Wenn Schüler sich politisch engagieren, dann häufig auf Wunsch Erwachsener
Hinrich Rohbohm

Es dauert eine ganze Weile, bis Leon (Name geändert) bereit ist, mit der JUNGEN FREIHEIT über sich und seine Situation am Schulzentrum Walle in Bremen zu reden. Der 18jährige hat an der Schule keinen leichten Stand, führt ein Doppelleben. „Nach außen passe ich mich an“, sagt er. Sein Innenleben sieht anders aus. 

Leon sympathisiert mit der AfD. Einer Partei, die an seiner Schule alles andere als gern gesehen wird. 80 Prozent der Schüler haben einen Migrationshintergrund, die meisten sind Muslime. „Wer da etwas Kritisches gegenüber dem Islam sagt, hat ein Problem.“ Nicht wenige seiner Mitschüler seien „fanatische Islamisten. Da wird für den Dschihad geworben.“ Er spricht von Mitschülerinnen, mit denen er sich bestens verstanden hatte. „Dann kamen die Sommerferien und danach waren die vollkommen verändert. Die verschleierten sich auf einmal und kapselten sich total ab.“ Später sei herausgekommen, daß einige der Mädchen während der Ferien eine Pilgerreise angetreten hätten. 

Wurden sie von Mitschülern indoktriniert? „Definitiv“, sagt Leon. Er erzählt von Schulkameraden, die andere zum Islam bekehren wollen, von Koranverteilungen, von Aufforderungen zu Moscheebesuchen. Leon wünscht sich, daß die Schule konsequenter dagegen vorgehen würde. „Aber die Lehrer haben oft selber Schiß.“ 

„‘Schule ohne Islamismus’ – das wäre Zivilcourage“

Stattdessen werde der „Kampf gegen Rechts“ propagiert. Das Schulzentrum Walle hat sich dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ (siehe Infokasten) angeschlossen. „Dabei gibt es hier weniger ein Problem mit ‘Rechten’ als mit Islamisten. Warum dann kein Projekt, das sich ‘Schule ohne Islamismus’ nennt? Das wäre wirkliche Zivilcourage.“ Thematisieren will er das nicht. Aus Furcht, an den Pranger gestellt zu werden. „Das bringt nichts. Am Ende bin ich es, der Probleme bekommt.“

Im vergangenen Monat hatte es am Schulzentrum Walle eine politische Diskussionsrunde gegeben. Eingeladen war auch ein Vertreter der AfD. „Da muß ich sagen, das fand ich echt mutig und fair von unserem Schulleiter, daß jede politische Richtung zu Wort kommen sollte. Aber da brach dann gleich ein Shitstorm gegen ihn los.“ Schüler und Lehrer hatten gegen die Einladung der AfD mobil gemacht, forderten die Ausladung. „Wir fordern, daß sich unsere Schule gegen Rassismus positioniert. Die Alternative für Deutschland einzuladen, wäre unvereinbar mit den Werten, die sich das Schulzentrum Walle zuschreibt“, hieß es in der Stellungnahme zweier Schülerinnen. „Die beiden, die das verfaßt haben, sind in der linken Szene aktiv. Mit ihrem Schreiben haben sie die AfD einfach mit Rassismus  gleichgesetzt, um dann sagen zu können, das ist nicht mit den Werten der Schule vereinbar.“ Auch Lehrer fielen ihrem Rektor in den Rücken, verwiesen auf das „Schule ohne Rassismus“-Projekt.

Eine davon ist die Politiklehrerin Frederike Kiesel. „Für mich gehört zur Courage, auch zu sagen, wir stellen uns dagegen und lassen an unserer Schule einfach solche Menschen nicht rein und nicht zu Wort kommen und ihre Parolen nicht verbreiten“, verkündete die Pädagogin. Positionierungen, die die bei Lehrern gebotene politische Neutralität als auch Mäßigung und Zurückhaltung vermissen lassen und bei denen nicht zuletzt fraglich ist, ob sie noch dem Geist des Beutelsbacher Konsenses entsprechen, der ein Verbot politischer Indoktrinierung vorsieht (siehe Infokasten). 

Kiesel stammt aus dem politischen Umfeld der Grünen, wirkte vor ihrer Lehramtstätigkeit als Bildungsreferentin der Partei im Berliner Abgeordnetenhaus. Auch beschäftigte sie sich unter anderem mit Taktik und Strategien von Online-Kampagnen. Zudem arbeitete sie für die Fernsehsender RTL und n-tv. Daß es sich bei ihren Äußerungen um verbale Ausrutscher handelte, dürfte angesichts dieser Vita unwahrscheinlich sein. „Diese Ansage machte unter Schülern die Runde und hat andere erst ermutigt, sich ähnlich zu äußern“, meint Leon.

Daß dies keine Einzelfälle sind, hat nicht zuletzt die jüngste Debatte um die Ida-Ehre-Schule gezeigt. Die Schule war in die Schlagzeilen geraten, nachdem sich herausgestellt hatte, daß an ihr Haß- und Propagandamaterial der linksextremen Antifa Altona-Ost an den Wänden des Schulgebäudes gehangen hatte (JF 16/19). Im schleswig-holsteinischen Rendsburg hatten sich 2016 die Eltern eines damals 13 Jahre alten Gymnasiasten geweigert, ihren Sohn an einem Schulausflug in die Centrum-Moschee teilnehmen zu lassen, der allen Ernstes im Rahmen des Geographie-Unterrichts erfolgte (JF 45/16). Bei der Moschee handelt es sich um ein Gebetshaus, das vom Verein Islamisches Zentrum Rendsburg betrieben wird, der enge Verbindungen zur Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) unterhält. Die Imame der Moschee werden direkt aus der Türkei durch die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) entsendet. Die DITIB gilt als Vorfeldorganisation von Erdogans AKP, unterhält auch Beziehungen zur islamistischen Muslimbruderschaft. 

Ausreichend Gründe also, einem solchen Ausflug die Zustimmung zu verweigern? Weit gefehlt. Die Eltern des Gymnasiasten wurden kürzlich per letztinstanzlichem Gerichtsbeschluß zu einer Geldstrafe verurteilt, während derzeit Schüler mit dem Segen zahlreicher Pädagogen im Rahmen der „Fridays for Future“-Proteste zumeist folgenlos im Namen des Klimaschutzes den Unterricht schwänzen. 

„Bei uns haben die Lehrer die Fridays for Future im Unterricht thematisiert und gefragt, ob wir uns auch für das Klima engagieren wollen“, berichtet ein Schüler des Hamburger Helene-Lange- Gymnasiums der jungen freiheit. Bei den jüngeren Jahrgängen seien während des Unterrichts Demo-Transparente gebastelt worden. Doch nur selten sind Indoktrinationen an Schulen eindeutig auszumachen. Gerade linke Ideologien finden ihren Einzug in den Unterricht zumeist in Form von Schulprojekten, die einerseits rechtlich unangreifbar sind, andererseits subtile Botschaften vermitteln. Den Regenwald retten. Das Klima schützen. Aktionen für Toleranz, kulturelle Vielfalt und gegen Gewalt. Projekte gegen Rassismus und Diskriminierung. Worte wie diese sind es, mit denen sich Deutschlands Schulen in der Öffentlichkeit von ihrer Schokoladenseite zeigen wollen.

An der Nelson-Mandela-Stadtteilschule in Hamburg-Kirchdorf sind ähnliche Sprüche in Fülle vorhanden. Am Eingang sind bunt bemalte Bänke aufgestellt, versehen mit der Aufschrift „Vielfalt, Toleranz, Respekt“. Vor dem Treppengeländer hängt ein großes Schwarzweiß-Schild:  „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage.“ Einige Schüler stehen in unmittelbarer Nähe. „Das geht doch gegen Rassismus, aber was da genau abgeht, keine Ahnung“, meint eine aus der Gruppe und lacht verlegen. Dabei ist auch die Nelson-Mandela-Schule dieser Kampagne beigetreten.

„Der Name Nelson Mandela steht für uns für Haltungen, die wir mit seiner Person verbinden: Antirassismus und Antidiskriminierung, Beharrlichkeit und Ausdauer, Überzeugung und Versöhnung, Toleranz“, schreibt die Schule über sich selbst. Auf einem der Schulkorridore ist eine Wand komplett mit bunten Strichmenschen bemalt. Ein Junge mit roten abstehenden Haaren, der jemanden im Rollstuhl schiebt und sich mit den weiteren Strichfiguren an den Händen faßt. „Gewaltfreie Erziehung“ steht darüber als Aufforderung geschrieben. „Schutz vor sexueller Ausbeutung“ steht unter der Strichzeichnung, die ein schwarzes Mädchen zeigt, das eine Fahne des FC St. Pauli schwenkt.

Auf die Zeichnungen angesprochen, zucken nicht wenige der Nelson-Mandela-Schüler nur mit den Achseln. „Die Lehrer stehen drauf. Wenn du eine gute Note willst, bringst du dich bei so etwas ein“, sagt einer der Schüler nur. Leidenschaft und Engagement sehen anders aus.  





„Schule ohne Rassismus“

Das Projekt Schule ohne Rassismus stammt ursprünglich von einer Jugendinitiative aus Belgien. In Deutschland wurde es 1995 von der Aktion Courage e.V. ins Leben gerufen, die als Träger des Programms fungiert. Vorsitzende des Vereins ist die türkischstämmige ehemalige GEW-Funktionärin Sanem Kleff, die zugleich dem Stiftungsrat der von der ehemaligen Stasi-IM „Victoria“ Anetta Kahane geleiteten Amadeu-Antonio-Stiftung angehört. 

Eigenen Angaben zufolge ist es das größte Schulnetzwerk in Deutschland, dem mehr als 2.800 Schulen angehören. Um Courage-Schule zu werden, müssen mindestens 70 Prozent aller im Schulbetrieb Lehrenden und Lernenden eine Selbstverpflichtungserklärung unterschreiben, in der sie erklären, sich künftig gegen jede Form von Diskriminierung zu wenden. Gleichzeitig verpflichten sie sich zu aktivem Einschreiten, sollte es zu Diskriminierungen kommen. Die Schule muß zudem im Jahr einen Projekttag zum Thema Rassismus durchführen und darüber hinaus einen Paten finden, der sie im Kampf gegen Rassismus unterstützt. 





Beutelsbacher Konsens

Der Beutelsbacher Konsens von 1976 enthält im wesentlichen das sogenannte Überwältigungsverbot: „Es ist nicht erlaubt, den Schüler – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der ‘Gewinnung eines selbständigen Urteils’ zu hindern.“ Außerdem muß das, „was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, auch im Unterricht kontrovers erscheinen“. Benannt ist der Kompromiß nach dem Sitz der baden-württembergischen Landeszentrale für politische Bildung im schwäbischen Beutelsbach.