© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/19 / 10. Mai 2019

„Verdacht einer Fremdsteuerung“
Urteil: Die Bundeswehr muß das Disziplinarverfahren gegen AfD-Landeschef Uwe Junge einstellen / Richter übt harsche Kritik am Vorgehen der Führung
Christian Vollradt

Am Anfang war ein augenzwinkernder Spruch. Am Ende ein Disziplinarverfahren. Das nun aber rechtskräftig eingestellt wurde. „Sie können ja sogar wie eine Frau aussehen“ hatte Uwe Junge, heute Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag von Rheinland-Pfalz, damals Oberstleutnant im Zentrum Operative Information der Bundeswehr in Mayen, im Dezember 2014 zu einer Untergebenen gesagt. Der Offizier „hätte wissen können und müssen“, so stellte das zuständige Truppendienstgericht nun fest, daß die so angesprochene – ein weiblicher, in lesbischer Partnerschaft lebender Hauptmann – „sich durch seine Äußerung bloßgestellt und herabgewürdigt fühlen würde.“ 

Zeugen hatten die Bemerkung Junges als „etwas flapsig“, jedoch keineswegs als ehrverletzend verstanden. Die Richter sprechen in ihrem Urteil von einem „mißglückten Kompliment“ und gelangten zu der Überzeugung, daß Junge „zwar fahrlässig seine Dienstpflichten verletzt, aber mit sehr geringer Schuld gehandelt hat“.  

Zum Politikum wurde das Verfahren gegen den „mit ausgezeichnetem Engagement ... getragen von außerordentlich großem beruflichen Selbstverständnis und absolutem Leistungswillen“ bewerteten Offizier, weil es auch noch um zwei Äußerungen des Wahlkämpfers Junge aus dem Jahr 2016 ging. Einmal hatte er Merkels Asylpolitik als „Vaterlandsverrat“ bezeichnet, zudem diverse Politiker im Falle der Kölner Silvesternacht eine „ehrlose Bande von Hasenfüßen“ genannt. Dies aber war nach Auffassung des Gerichtes kein Verstoß gegen das Soldatengesetz. So habe Junge als Zivilperson gesprochen, Soldaten dürften sich in der Öffentlichkeit politisch betätigen und äußern, sofern dies im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung geschehe und die Arbeit der Bundeswehr nicht beeinträchtige. Die fraglichen Reden des AfD-Politikers standen „danach seinen soldatischen Pflichten nicht entgegen“.

Für Junge ist naheliegend, daß dieses Verfahren gegen ihn aus politischen Gründen betrieben worden war. Denn das Verfahren wegen der Bemerkung zur lesbischen Soldatin war bereits eingestellt, später aber im Kontext des Wahlkampfs wieder aufgegriffen worden. Auch dem Gericht drängte sich, wie es im Urteil festhielt, „der Verdacht einer Fremdsteuerung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen den früheren Soldaten massiv auf“.

Uwe Junge ist überzeugt: „Das Urteil hat eine Signalwirkung“. Damit werde auch Soldaten der Bundeswehr „noch einmal deutlich gemacht: ihr dürft und sollt euch politisch engagieren, loyal – aber auch kritisch“, sagte der Mainzer AfD-Landesvorsitzende der JUNGEN FREIHEIT. „Wir haben bei allen Einsatzkräften einen Stein im Brett, also bei denen, die für Staat und Gesellschaft ihre Pflicht erfüllen, aber dann kaum Rückendeckung von den politisch Verantwortlichen erhalten.“ Das liege vor allem daran, daß die AfD bei diesen Kräften beim Thema Sicherheit für glaubwürdig gehalten werde. 

Im Umkehrschluß sieht Junge darin aber auch eine Verpflichtung für seine Partei, rote Linien zu beachten. Die Tätigkeit der parteiinternen Arbeitsgruppe Verfassungsschutz hält er daher für „sehr wichtig“. Kein Verständnis hat der Fraktionsvorsitzende im rheinland-pfälzischen Landtag für AfD-Mitglieder und Funktionsträger, welche „die Grenzen provokant und bewußt überschreiten“. Für die Verfehlungen anderer in Haftung genommen zu werden, sei eine schwere zusätzliche und unnötige Belastung. „Wir müssen bei klaren Verfehlungen professionell konsequente und nachvollziehbare Ordnungsmaßnahmen angstfrei anwenden“, betont Junge. Ansonsten werde man bei wichtigen Zielgruppen nachhaltig Vertrauen verspielen. Und, so resümiert er, „wir wollen doch Mehrheiten in der bürgerlichen Mitte gewinnen, um Deutschland für unsere Kinder zu retten“.