© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/19 / 10. Mai 2019

Berlin dilettiert in der Weltpolitik hilflos herum
Deutsche Außenpolitik: Anstatt Politik zu machen, kündigt Außenminister Heiko Maas großspurig lediglich wohlmeinende Initiativen an
Peter R. Hubert

Niemand wird behaupten können, daß uns die aktuelle Krise in Libyen nichts angeht. Im Gegenteil: Libyen, das sich faktisch in einem Bürgerkrieg zwischen der offiziell anerkannten Regierung in Tripolis und der auf die Hauptstadt marschierenden Armee des Generals Chalifa Haftar befindet, bildet geopolitisch die Gegenküste zu Europa, und das bedeutet: Was dort geschieht, betrifft alle Europäer, auch die Deutschen. Es liegt in unserem ureigenen Interesse, daß sich die politischen Verhältnisse in dem nordafrikanischen Land möglichst bald wieder stabilisieren, schon um die Flüchtlingsströme wirksam stoppen zu können, die sich von dort aus noch immer über das Mittelmeer nach Europa aufmachen.

Der Sturz von Muammar al-Gaddafi im Herbst 2011 war aus europäischer Sicht zweifelsfrei notwendig, um in Nordafrika einen politisch völlig unberechenbaren, immer wieder irrational handelnden Gewaltherrscher loszuwerden, der niemals ein einigermaßen verläßlicher Partner der europäischen Mittelmeeranrainer hätte werden können. In Ägypten hat sich diese politische Stabilität seit 2013 durch die Herrschaft von General Abdel Fatah as-Sisi wiederherstellen lassen – und es sollte im allgemeinen europäischen, nicht zuletzt im deutschen Interesse liegen, eine ähnliche Lösung auch für Libyen zu finden.

Haftar marschiert mit seinen Truppen auf Tripolis

Inzwischen marschiert Haftar mit seinen Truppen auf Tripolis, um die dortige, zunehmend schwächelnde Regierung zu stürzen. Vom Uno-Sicherheitsrat – derzeit von Deutschland geführt – kommen indessen vage Aufforderungen, sich doch bitte friedlich einigen zu wollen. Die Regierungen der ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat haben die Lage längst erkannt: Rußlands Präsident Wladimir Putin führte bereits Gespräche mit Haftar, US-Präsident Donald Trump telefonierte mit ihm. Auch Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian hält seine Hand über den General, so daß die Regierung in Tripolis inzwischen alle Beziehungen zu Frankreich abgebrochen hat.

Deutschlands Außenminister Heiko Maas indes hat nichts anderes zu tun, als Haftar aufzufordern, seinen Vormarsch doch liebenswerterweise rasch zu stoppen. Anstatt Politik zu machen, werden großspurig wohlmeinende Initiativen angekündigt: Heiko Maas tritt neben der Hollywoodactrice Angelina Jolie vor die Weltpresse und verkündet einen von Deutschland einzubringenden Resolutionsentwurf gegen sexuelle Gewalt in Kriegs- und Krisengebieten: Der Sicherheitsrat solle „gezielte Sanktionen“ gegen entsprechende Täter oder Tätergruppen verhängen, „gleichgesinnte Länder“ sollten sich zusammenschließen, um jene Taten juristisch besser verfolgen und sanktionieren zu können.

Gegen eine solche Resolution ist nun vernünftigerweise nichts einzuwenden, und wenn es gelänge, brutale Gewalt in Kriegsgebieten einzudämmen, wäre dies ein Erfolg, keine Frage. Aber die deutsche Resolution war schlampig vorbereitet, denn die US-Regierung verlangte sofort Abänderungen am Textentwurf, weil sie bestimmte Passagen, die als Ermutigung von Abtreibungen hätten aufgefaßt werden können, ablehnte. Und bei der Endabstimmung enthielten sich China und Rußland auch noch der Stimme. Das Ganze ist nicht mehr als eine schwächliche, im Ergebnis fast peinliche Demonstration von: Deutschland wolle, so Maas wörtlich, den Fortschritt am Leben halten.

Sorge um Verlust an „Multilateralität“  

Der Berliner Außenminister flog anschließend nach Lateinamerika, um dort Platitüden von sich zu geben und Geld zu verteilen: „Die Lage in Venezuela ist mehr als angespannt“, verkündet er in Bogota. Zur Verbesserung der Lage werde er die von Deutschland schon nach Kolumbien für Flüchtlingshilfe überwiesenen 17 Millionen Euro noch um vier Millionen aufstocken. Einen Tag später nahm er in Brasilien an der Gründung eines „Frauennetzwerks“ teil und warnte bei der Gelegenheit vor allerlei bösen Dingen: „Wir erleben derzeit gefährliche Rückschritte“, da sich „Populismus und Nationalismus weltweit auf dem Vormarsch“ befänden, außerdem werde die „multilaterale Weltordnung“ in Frage gestellt.

Während man in Washington, Moskau, Paris inzwischen begriffen hat, welche Politik in Libyen und anderswo, etwa in Venezuela, betrieben werden muß, um die eigenen Interessen zu schützen, dilettiert man in Berlin hilflos herum, erkennt die Lage nicht, predigt der „Weltgemeinschaft“ internationalen „Fortschritt“, schimpft auf böse „Populisten“ und lamentiert über Verluste an weltpolitischer „Multilateralität“. Ein Land, das solche Außenpolitiker hat, braucht keine Feinde.