© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/19 / 10. Mai 2019

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Eine Hommage an den US-Dichter Walt Whitman kündigt der Philharmonische Chor Berlin für den Mittwoch kommender Woche an (15. Mai). Anlaß dafür bietet der zweihundertste Geburtstag des Lyrikers Ende des Monats. Whitman, der nur sechs Jahre lang die Schule besuchte, als Autodidakt aber die Werke von Homer, Dante und Shakespeare studierte, gilt als einer der Begründer der modernen amerikanischen Dichtung. Auf dem Konzertprogramm in der Philharmonie stehen Ralph Vaughan Williams spätromantische Choralsinfonie „A Sea Symphony“ und Frederick Delius’ „Songs of Farewell“. Beide Komponisten vertonten dafür Gedichte aus Walt Whitmans berühmtem Zyklus „Leaves of Grass“. In der Ankündigung heißt es dazu, Williams und Delius’ Werke erzählen „von der Unermeßlichkeit des Meeres, was zugleich auch als Metapher für das Leben zu verstehen ist“. Tatsächlich lohnt es sich, Whitmans freie Verse mal wieder zur Hand zu nehmen: „Meerschönheit! hingestreckt, besonnt!/ Die eine Seite von deinem innern Ozean bespült, voll reichen Handels, Dampf- und Segelschiffen,/ Die andre vom atlantischen Wind geküßt, wild oder zart,– gewaltige Rümpfe dunkel gleitend in die Ferne“.


Der stets lesenswerte Publizist Michael Klonovsky – bekannt dafür, politischen, gesellschaftlichen Zuständen mit Ironie und Sarkasmus zu begegnen – hat kürzlich in seinem Netztagebuch „Acta diurna“ eine schöne grimmige Neudefinition für einen landauf, landab vielfach verwendeten Begriff geprägt: „Hetze, die: anderer Leute von der offiziell gewährten Einheitsmeinung abweichende Ansichten, sofern öffentlich vorgetragen“. Daraufhin ersuchte ihn ein Leser jetzt um Fortsetzung; eine Bitte, welcher der geistreiche Formulierungskünstler Klonovsky gern nachkam. Hier eine Auswahl seiner Umdefinitionen: „Rechtspopulismus: bedenkliche Neigung, sich für die Probleme derjenigen zu interessieren, von denen sogar die Grünen nichts wissen wollen“ / „Islamophobie: eine in Ländern mit wachsendem muslimischen Bevölkerungsanteil endemisch auftretende psychische Störung, meist einhergehend mit Angst vor Messern und Sprengstoffen, bei guten Heilungschancen durch Konversion“ / „Integration: perfider Versuch, Einwanderer in Nazis zu verwandeln“ / „Diskriminierung: besonders unter Weißen verbreitetes asoziales Bedürfnis, die eigenen Kinder zu bevorzugen“ / „Drittes Geschlecht: Irrtum des Gesetzgebers, resultierend aus dem Vorurteil, es existierten üblicherweise zwei“ (https://michael-klonovsky.de/acta-diurna; Eintrag vom 2. Mai 2019).