© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/19 / 10. Mai 2019

Bewährungsprobe für eine Freundschaft
Filmbiographie: „Stan & Ollie“ zeigt die späten Jahre des legendären Komikerduos
Wolfgang Paul

Biographische Spielfilme, die mittlerweile auch hierzulande Biopics genannt werden, stehen derzeit hoch im Kurs. Ihre Produzenten setzen auf die Faszinationskraft bekannter Persönlichkeiten, seien es Politiker, Popstars oder Filmschauspieler. Die Welt soll erfahren, so lautet das Versprechen, wie deren Leben wirklich war. Doch in Wahrheit werden neue Mythen erfunden.

Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Frage: Wie groß ist die Übereinstimmung der Person im Film mit der Person, die sie darstellen soll? Maskenbildner haben dann Hochkonjunktur. Am besten, man erkennt die Schauspieler kaum noch – so sehr gleichen sie schließlich ihren Vorbildern.

Im Fall von „Stan & Ollie“, dem neuen Film über das legendäre und unübertroffene Komikerpaar Stan Laurel und Oliver Hardy, haben die Maskenbildner Jeremy Woodhead und Mark Coullier („Die eiserne Lady“) hervorragende Arbeit geleistet. Wobei es für sie weniger aufwendig war, Steve Coogan in Stan als John C. Reilly in Ollie zu verwandeln. Angeblich waren die Spezialisten mit Reilly vier Stunden beschäftigt, bevor er zum Dreh durfte.

Material für die Annäherung an die Originale gibt es ohnehin genug. Laurel & Hardy oder Dick & Doof, wie sie bei uns etwas despektierlich heißen, stehen ja auf DVD und im Internet jederzeit zur Verfügung. So sind auch die Bewegungen und Gesten der beiden in dieser Verfilmung gut wiederzuerkennen, und sofern man sich die Originalfassung zu Gemüte führt, sind auch ihre Stimmen gut getroffen. Alle Äußerlichkeiten stimmen also (außer, daß Stan rote Haare hatte, was wir bei ihren Schwarzweißfilmen nicht ahnen konnten).

Die Ehefrauen übernehmen das Kommando

„Stan & Ollie“ zeigt in einer Eingangsszene das Paar bei Dreharbeiten zu „Way Out West – Zwei ritten nach Texas“ und auf dem Höhepunkt ihrer Popularität. Sie glauben, ihr Produzent Hal Roach (Danny Huston), der sie zum Komikerduo vereint hat, gebe ihnen zu wenig von dem Geld ab, das er durch sie verdient. Da ihre Verträge eine unterschiedliche Laufzeit besitzen, versucht er, sie gegeneinander auszuspielen. Dies gelingt ihm auch, und es wird ihre Freundschaft auf eine Bewährungsprobe stellen.

Mit dem Jahr 1953 beginnt die Geschichte, die der Film ausführlich erzählt. Sie fußt auf dem Buch „Laurel & Hardy – The British Tours“ von A.J. Marriot und beschäftigt sich mit der britischen Theatertournee am Ende ihrer gemeinsamen Karriere. Bühnenshows sollten ihren verblassenden Ruhm auffrischen, ihnen zu neuem Erfolg und somit zu einem neuen Film verhelfen, einer englischen Produktion diesmal. Doch auch in England kennen die Jüngeren sie nicht mehr, neue Komiker und Komikerpaare wie etwa Abbott & Costello, von denen heute keiner mehr spricht, haben sie abgelöst. Erst als sie mit Promotionsauftritten für lokale Ereignisse die älteren Engländer auf sich aufmerksam machen, füllen sich die Säle mit begeisterten Zuschauern.

Ein intelligenter Schachzug von Drehbuchautor Jeff Pope und Regisseur Jon S. Bird (beide haben hauptsächlich für das Fernsehen gearbeitet) war es, sich auf die Bühnenauftritte zu konzentrieren, denn von ihnen ist kein Filmmaterial bekannt. Daher ist es nicht möglich, direkte Vergleiche anzustellen. Zudem eignen sich viele ihrer Filmszenen vorzüglich für eine Bühnenwiederholung, kommt es bei ihnen doch häufig auf das Timing, auf die exakten Zeitabläufe, an. Und die beiden Film-Charaktere stammen sowieso aus dem Theaterrepertoire: der infantile Stan wird immer wieder von dem „weltgewandten“ Ollie zurechtgewiesen, der zudem das Einverständnis mit den Zuschauern sucht.

Daß sie sich im Privatleben so benehmen wie in ihren Filmen oder sich zumindest in der Öffentlichkeit so inszenieren, ist für dieses Biopic eine ausgemachte Sache. Überraschend ist hingegen, daß ihre Ehefrauen Ida Laurel (Nina Ariana) und Lucille Hardy (Shirley Henderson) geradewegs aus ihren Komödien entsprungen zu sein scheinen. Bestimmt und bestimmend übernehmen sie mit ihrer Ankunft das Kommando, und dies geschieht speziell bei Oliver Hardy aus begründeter Sorge um dessen Gesundheit.

Gegen Filmende überwiegen die traurigen Momente: Wenn sich Stan zu dem kranken Ollie auf das Krankenbett legt, um ihn aufzuwärmen, und wenn Stan noch immer die Sketche für sie schreibt, obwohl an einen gemeinsamen Auftritt längst nicht mehr zu denken ist. „Stan & Ollie“ ist ein berührender Film über eine Freundschaft, die selbst der Tod nicht besiegen kann.