© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/19 / 10. Mai 2019

Stalins Projekt des Aushungerns gescheitert
Vor 70 Jahren endete die Berliner Blockade: West-Berlin konnte sich durch die alliierte Luftbrücke behaupten
Matthias Bath

Seit Juni 1948 hatte die Sowjet-union versucht, die Westmächte durch die Blockade aller Zugangswege in die westlichen Sektoren aus Berlin zu verdrängen. Dies war von den Westalliierten jedoch durch die Luftbrücke zur Versorgung ihrer Sektoren durchkreuzt worden. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte sich die Luftbrücke bis zum Spätherbst 1948 konsolidiert und konnte eine Grundversorgung der Bevölkerung in den Westsektoren gewährleisten. Im Dezember 1948 verfügten die Briten über 48 C-47 Dakota, 50 York und 60 andere Typen, während die Amerikaner 206 Douglas C-54 zum Einsatz brachten. Ab dem 1. Januar 1949 wurde diese Zahl auf 225 aufgestockt. Zum Glück für die Belagerten blieb der Blockadewinter 1948/49 relativ mild, in dem – anders als in den vorangegangenen Jahren – die monatliche Durchschnittstemperatur von Dezember bis März selten unter den Gefrierpunkt sank.

Die Monate März, April und Mai 1949 werden allgemein als die Rekordmonate der Luftbrücke angesehen. Immer lag die Zahl der Versorgungsflüge bei über 20.000 je Monat, während die beförderte Tonnage sich von 177.000 auf über 220.000 im Mai steigerte. Die Luftbrücke war für die Westmächte damit nur noch eine Frage der Kosten. Diese lagen aber laut Äußerung des US-Luftfahrtministers Stuart Symington in einem ganzen Jahr immer noch unter denen des Zweiten Weltkrieges an einem einzigen Tag. 

Damit verlor die Blockade für die Sowjets aber zunehmend ihren Sinn, was schließlich schon ab Februar 1949 zu amerikanisch-sowjetischen Geheimverhandlungen am Sitz der Vereinten Nationen in New York führte, die schließlich am 4. Mai 1949 in das sogenannte Jessup-Malik-Abkommen aller vier alliierten Mächte über die Aufhebung der Blockade mündeten.

Abkommen galt nur für den Verkehr der Alliierten

Dem Abkommen zufolge sollten alle von den vier Besatzungsmächten seit dem 1. März 1948 eingeführten Beschränkungen der Nachrichtenverbindungen, des Verkehrs und Handels zwischen Berlin und den westlichen Besatzungszonen sowie zwischen den Westzonen und der sowjetischen Besatzungszone am 12. Mai 1949 aufgehoben werden. Entsprechend dieser Vereinbarung hoben sich an diesem Tag nach Mitternacht die Schlagbäume an den sowjetischen Grenzkontrollpunkten zu den Westzonen und um Berlin. 

Auf der Autobahn von Helmstedt nach Berlin bildeten zehn britische Lastwagen einen ersten Konvoi. Zu- gleich passierten amerikanische und britische Militärfahrzeuge mit dem Ziel Hannover den Autobahn-Kontrollpunkt Dreilinden im US-Sektor von Berlin. Auch der Wasserstraßen- und Schienenverkehr wurde wieder aufgenommen. Um 6.30 Uhr traf auf dem Bahnhof Charlottenburg der erste Zug aus Westdeutschland ein. Die ersten am Morgen in den Westsektoren eintreffenden Lastwagen wurden von Tausenden jubelnder Menschen begrüßt. Die Schüler der Westsektoren hatten schulfrei.

Wirtschaftlich bedeutete das Ende der Blockade zunächst, daß alle in Westdeutschland und dem Berliner Umland erhältlichen Waren schlagartig auch in den Berliner Westsektoren erhältlich waren und dort angesichts der Kaufkraft der meisten Berliner zu hohen Preisen angeboten wurden. Das gute Warenangebot blieb auch dauerhaft erhalten. Ansonsten entwickelte sich die Wirtschaft des nunmehrigen West-Berlin längerfristig weitaus schwächer als in der entstehenden Bundesrepublik. West-Berlin blieb so bis weit in die fünfziger Jahre hinein ein wirtschaftlich strukturschwaches Gebiet.

Politisch hatten die West-Berliner aufgrund der Luftbrücke zwar ihre Freiheit und Eigenständigkeit gegenüber der Sowjetunion behauptet, doch West-Berlin sollte für mehr als vierzig Jahre eine Insel im sowjetischen Machtbereich bleiben. Außerdem hatte auch das Jessup-Malik-Abkommen lediglich den Zustand vor Beginn der Blockade, das heißt den reibungslosen Zugang nach Berlin für die drei Westmächte und ihre Angehörigen wiederhergestellt, nicht aber eine Regelung über einen freien Zugang nach Berlin für die Bewohner der Westsektoren oder den deutschen Warenverkehr getroffen. Dies sollte erst im Viermächte-Abkommen von 1971 geschehen.

Davor aber sollte sich die Spaltung Deutschlands noch vertiefen. Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft, und am 7. Oktober 1949 wurde die DDR als östlicher Teilstaat proklamiert, der sogleich den Ostsektor Berlins als Hauptstadt für sich reklamierte.






Dr. Matthias Bath ist Autor des Buches „Die Berlin-Blockade 1948/49. Stalins Griff nach der deutschen Hauptstadt und der Freiheitskampf Berlins“ (Berlin 2018) 

 https://neuhausverlag.com