© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/19 / 17. Mai 2019

Carsten Meyer-Heder. Der Verzweiflungskandidat soll es für die CDU im Norden richten.
Das letzte Aufgebot
Paul Rosen

Hauptsache anders! Er hat zwar „keine Vorstellung davon, wie es ist, Bürgermeister zu sein“, aber für einen wie Carsten Meyer-Heder ist das noch lange kein Grund, nicht genau das in seiner Vaterstadt Bremen werden zu wollen. Dabei ist der 58jährige nicht einmal Mitglied der SPD, die das Amt seit sieben Jahrzehnten wie einen Erbhof innehat – sich inzwischen aber wie die einst stolze Hansestadt selbst im Abstieg befindet. Nein, Carsten Meyer-Heder ist bei der CDU, zu der er kam wie die Jungfrau zum Kinde – angeblich bat ihn die Parteiführung in einem Brief darum, die Spitzenkandidatur für die Bürgerschaftswahl am 26. Mai, dem Tag, an dem auch die Europawahl stattfindet, anzutreten. 

Eigentlich ist an dem Zwei-Meter-Mann mit Bart und Glatze alles zu finden, was einen typischen Bürgerlichen nicht ausmacht: Studium nach etlichen  Bummel-Semestern und einem wohl wilden Leben in der alternativen Szene abgebrochen, Zivildienst, Kirchenaustritt, Geld mit Schlagzeugunterricht verdient und in einer Band gespielt. Sein Privatleben, ebenso untypisch: drei Kinder mit zwei Frauen. Mit einer dritten, die ein weiteres Kind mitbrachte, ist er verheiratet, „Patchwork total“ nennt Meyer-Heder das. Krawatten und andere Utensilien gepflegter Herrenaustatter mag er auch nicht – und trotzdem sind der immerhin erfolgreiche Unternehmer (1.000 Beschäftigte in der IT-Dienstleistungsbranche) und die seit mehreren Politiker-Generationen erfolglose Weser-CDU das gemeinsame Wagnis eingegangen. 

In der Liste der Bremer Bürgermeister finden sich seit Kriegsende legendäre Namen wie Wilhelm Kaisen, Hans Kosch-

nick und Henning Scherf. Inzwischen sind die Sozis allerdings bei Carsten Sieling angekommen, der zeitweilig als Finanzpolitiker im Bundestag jeder Steuer-erhöhung das Wort redete und mangelndes Charisma durch vorbildliche sozialistische Haltung zu ersetzen versucht. Beim Wähler kommt das nicht an, so daß es in einer Umfrage schon zu einer Art Wunder an der Weser kam: Die CDU überholte mit einem Prozent Vorsprung die auf 24 Prozent abgesackte SPD. Und das, obwohl den Mann der Union kaum jemand kennt, was eine Agentur dazu brachte, Werbung mit dem Wortspiel „Carsten Meyer-Wer?“ zu machen. 

Inhaltlich kann man von ihm wenig mehr sagen, als daß er „heilfroh“ war, als Annegret Kramp-Karrenbauer sich gegen Friedrich Merz durchsetzte und daß er Grünen-Chef Robert Habeck sympathisch findet. Was freilich bestens zu dem Phänomen paßt, daß die Schlipsträger der Union auch noch den letzten Grundsatztreuen ziehen lassen, um dem Zeitgeist noch schneller hinterherzuhecheln. Carsten Sieling mag der Abstieg für die SPD sein – Carsten Meyer-Heder ist der Untergang der CDU als bürgerliche Partei.