© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/19 / 17. Mai 2019

Grüße aus Wien
Glaube, Liebe, Rapid
Michael Link

Schon nach meinem ersten Stadionbesuch im zarten Alter von neun Jahren war mir klar: Rapid Wien ist eine Religion. Auch meine damalige Begeisterung für den gemeinsam mit meinen Eltern und Brüdern erlebten 2:0-Sieg gegen den 1. FC Nürnberg im Gerhard-Hanappi-Stadion ist nicht so bald abgeklungen. „Goleador“ Hans Krankl, zugleich europäischer Torschützenkönig, war in „St. Hanappi“ bereits zum Fußballgott mutiert.

Heute gilt für viele Rapid-Gläubige der kürzlich verabschiedete Mannschaftskapitän Steffen Hofmann als Fußballgott. Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis die Glaubensgemeinschaft um den österreichischen Rekordmeister Rapid Wien auch ihr eigenes Religionsbuch erhält. Und das zu einer Zeit, in der selbst langjährige Anhänger wie ich an einem Rapid  wohlgesonnenen Gott Zweifel vorsichtig erhoben. Eine historisch schwache Saison für die Hütteldorfer neigt sich dem Ende zu.

Spieler geben ganz persönliche Einblicke in ihre spirituellen Kraftquellen.

Daß „Glaube, Liebe, Rapid“ nicht das erste Buch über den 130jährigen Traditionsverein ist, mag nicht verwundern. Der Titel des Buches läßt allerdings vermuten, daß sich dieses Buch von allerlei profaneren Druckwerken abzuheben bemüht. Zumal es andererseits dann doch nicht das Heilige Buch einer eigenen Fußball-Religion ist, sondern vielmehr das kollektive christliche Bekenntnis der Mannschaft wiedergibt, mag vielleicht der eine oder andere nicht ganz kirchennahe Fan zunächst enttäuscht sein. Doch „Rapid-Pfarrer“ Christoph Pelczar wollte auch zeigen: „Glaube, Liebe, Hoffnung und Rapid können wahrhaft Berge versetzen, im Fußball wie im Leben“.

Spieler geben in dem reichlich bebilderten Buch Einblicke in ihre spirituellen Kraftquellen, vielfältig, authentisch und lebensnah.

Der Glaube, daß Rapid wahrhaft Berge versetzen kann, hat mich jedoch auch nach der Lektüre des Buches noch nicht wieder ereilt. Obwohl manch Rapid-Spieler ein frommes und tugendhaftes Leben zu führen scheint. So verrät Mannschaftskapitän Stefan Schwab: „Glaube heißt für mich, in allen Momenten und Situationen des Lebens danach zu streben, ein guter Mensch zu sein.“ Die aus Würzburg stammende Kickerikone Steffen Hofmann erklärt, die aus dem Matthäus-Evangelium abgeleitete Goldene Regel zu seinem Motto gemacht zu haben: Tu keinem das an, was du nicht willst, daß man dir tue. Und Verteidiger Boli Bolingoli bekennt, mit der Bibel im Gepäck zu jedem Spiel zu reisen.