© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/19 / 17. Mai 2019

Fusion von Thyssenkrupp und indischer Tata Steel geplatzt
Ein Stahlkartell verhindert
Albrecht Rothacher

Seit Jahrzehnten klettern die deutschen Exporte unaufhörlich: Waren es 1998 noch 488 Milliarden Euro, erreichten sie voriges Jahr mit 1,32 Billionen Euro ein weiteres Allzeithoch. Nur im Krisenjahr 2009 brachen die Ausfuhren von 984 auf 803 Milliarden Euro ein. Das klingt gut, aber wie werthaltig sind die 2018 erwirtschafteten 228 Milliarden Euro Ausfuhrüberschuß, wenn das Ausland nicht mehr willens oder fähig ist, die Zahlungen im Euroraum zu bedienen?

Und: Gibt es eigentlich noch eine eigene deutsche Elektronik-, Industriegas-, Flugzeug-, Röhren-, Erdöl-, Kohle-, Werften- oder Großbauindustrie? Oder noch weltweit operierende deutsche Großbanken? Mannesmann, Hoechst, Linde, Hochtief, Walter Bau, die Dresdner Bank – alles verscherbelt und verramscht. Den wichtigsten Energieträgern Atomstrom, Kohle und Diesel hat die deutsche Politik den Kampf angesagt und damit dem Industriestandort Deutschland. Dennoch gibt es einen unwahrscheinlichen Bundesgenossen: die EU-Kommission. Im Februar untersagte sie den Abschub des Eisenbahngeschäftes von Siemens zum französischen Konkurrenten Alstom. Und jetzt fährt sie den Konzernstrategen in Essen in die Parade und verhindert die Fusion der Thyssenkrupp-Stahlsparte mit der indischen Tata Steel. Der einst stolzen deutschen Stahlindustrie, die unter dem Druck von chinesischen Überkapazitäten und Exportdumping leidet, wäre nach ihrer Aufspaltung, Tausenden von Stellenstreichungen in der Verwaltung und an den Hochöfen, und dem Teilverkauf nur noch die Wartung von Rolltreppen und Aufzügen und der Stahlhandel geblieben.

Es wäre mit den Indern ein Stahlkartell entstanden, das wettbewerblich problematisch die Lieferpreise für die Autoindustrie hätte diktieren können. Noch wichtiger aber ist, daß Deutschlands Stahlindustrie und ihre Arbeitsplätze deutsch bleiben und Investitionshaien wie der schwedischen Cevian Capital und ihren Helfershelfern von der Krupp-Stiftung die rote Karte gezeigt wurde.