© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/19 / 24. Mai 2019

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Zu Gast im „Haus der Angst“
Paul Rosen

Schafft es ein Taxi verbotenerweise auf den gesperrten Vorplatz des Reichstages, oder wird in der Tasche eines AfD-Mitarbeiters bei der Eingangskontrolle zum EU-Komplex in Brüssel ein Taschenmesser gefunden, steht ein Teil des Hohen Hauses in Berlin Kopf, und die Presse bekommt Schnappatmung: „Der Bundestag hat ein Sicherheitsproblem“, schrieb wegen dieser beiden Vorfälle die Leipziger Volkszeitung und wies noch darauf hin, daß sich Mitarbeiter anderer Fraktionen zunehmend von AfD-Mitarbeitern bedroht fühlen würden. 

Für den Spiegel ist der Bundestag inzwischen gar ein „Haus der Angst“. In der Tat wird bei Kontrollen von Besuchern an den Eingängen des Bundestages so einiges entdeckt: Jeden Monat sammeln die Kontrolleure zwischen 800 und 2.800 als gefährlich eingestufte Gegenstände wie Messer, Taschenmesser und Reizgas ein. Das ist aber an jedem Flughafen nicht viel anders. Die meisten Besucher lesen die Hinweise vor dem Besuch des Bundestages nicht oder vergessen sie. Abgeordnete und Mitarbeiter werden nicht kontrolliert. 

Kontrollen für alle Mitarbeiter sind bisher nicht geplant. Dafür sind auch die Kapazitäten der Kontrollstellen im Moment nicht ausreichend. Dafür sollen jetzt die Bestimmungen verschärft werden. So kann Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth von den Grünen angesichts „offenkundiger Verbindungen einzelner Mitarbeiter und geladener Gäste bis tief hinein in die rechtsextreme Szene“ die Überprüfung der Sicherheitsvorschriften nachvollziehen. Die AfD weist die Vorwürfe, die sich im übrigen nie erhärten ließen, zurück. Vorschläge liegen dennoch parat. Danach soll es nicht gestattet sein, „Waffen, Munition, Sprengstoffe, explosionsgefährliche Stoffe, gefährliche Werkzeuge“ oder ähnliches mitzubringen. Zu verbotenen Waffen zählen auch Messer jeder Art, Waffenimitationen, Elektroschocker und Pfefferspray. 

Gerade Pfefferspray nicht mehr mitführen zu dürfen, wird vor allem für Frauen ein Problem werden. Das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel oder ein Aufenthalt auf dem Alexanderplatz bedeuten ein großes Risiko. Pfefferspray kann lebensrettend sein, zumal Polizeistreifen selten anzutreffen sind. Das alles wissen Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) sowie seine Stellvertreter wie Roth, Petra Pau (Linke) oder Thomas Oppermann (SPD) nicht, da sie in dicken Limousinen mit abgedunkelten Scheiben auf Kosten der Steuerzahler durch Berlin kutschiert werden. 

Die Reaktionen auf angebliche Provokationen fallen bei Politikern wie Roth und in Medien nur dann so heftig aus, wenn Rechte in Verdacht sind. Als 2007 eine Gruppe von – linken – jungen Leuten den Plenarsaal zu kapern versuchte und einer sogar von der Besuchertribüne ins Plenum sprang, bescheinigte die Zeit den Okkupanten wohlwollend, sie wollten „die Demokratie retten“. Da es Ermittlungsverfahren gab, bettelten die Täter über ein Portal des Linksextremisten-Vereins „Rote Hilfe“ um Geld für Verfahrens- und Anwaltskosten. Nur an den Sicherheitsvorschriften im Bundestag änderte sich damals – nichts.