© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/19 / 24. Mai 2019

Überall Symptome des Verfalls
Der Briefwechsel zwischen dem „Lieblingsbildhauer des Führers“ Arno Breker und seinem Freund, dem Kunstkritiker Albert Buesche
Werner Olles

Der am 19. Juli 1900 als ältester Sohn eines Steinbildhauers und Grabmalkünstlers in Elberfeld geborene Arno Breker ist 42 Jahre alt und auf dem Höhepunkt seines Schaffens, als er den Briefwechsel mit dem Kunstkritiker Albert Buesche beginnt. Seine Pariser Ausstellung, die in der von deutschen Truppen besetzten Metropole im Frühjahr 1942 über 120.000 Besucher begeistert, ist sein größter Erfolg. Buesche hat dazu „Einleitung und Geleit durch die Ausstellung in der Orangerie des Tuileries“ geschrieben. Er ist „frankophil“, Kulturkorrespondent für deutsche Zeitungen und als Feuilletonredakteur der deutschsprachigen Pariser Zeitung tätig. In der sogenannten „Umschmelzung der deutschen Dichtung durch das französische Wesen“ sieht er „einen Schritt zum Europäertum der Zukunft“. In Rainer Hackels Vorwort heißt es, daß für Buesche „die deutsche und französische Kultur gleichberechtigte Partner waren, deren Begegnung die Vorstufe zu einem geistigen Europäertum bildete“. 

Albert Buesche kam 1896 in Hannover als Sohn einer preußischen Beamtenfamilie zur Welt, studierte Kunstgeschichte, Romanistik und Germanistik und arbeitete als Dramaturg und Regisseur in Hamburg und Bonn. Breker und Buesche fühlen sich durch ihre innere Distanz zum Dritten Reich zeitlebens verbunden. So schreibt Breker an Buesche am 8. August 1946: „Ich schrieb Ihnen schon, daß ich es als gottgewollte, segensreiche Fügung ansehe, von den großen Aufgaben befreit zu sein, so verlockend auch die Durchführung dieser Probleme zu sein schien. Aber diesem Regime durfte man keine Denkmäler bauen und ich ahnte frühzeitig den Bruch, den ich schweigend in meiner Brust verschlossen, mit mir herumtrug. Nur durch die schonungslose Erkenntnis eines tiefschürfenden Mea culpa wird der Weg frei.“ Es ist dieses klare Schuldbewußtsein, das zusammen mit dem vorliegenden Briefwechsel „zu einem gerechten Urteil über den ‘Lieblingsbildhauer des Führers’ beitragen möge“ (Rainer Hackel). 

Im November 1945 notiert Breker, „nach abenteuerlichem Hin und Her“ in einer kleinen schwäbischen Stadt gelandet zu sein. Hier will er von neuem anfangen, doch eine schwere Herzattacke, der später noch weitere folgen sollen, zwingt ihn ins Spital. Er leidet an chronischer Bronchitis, ist anfällig für Grippen, doch schlimmer ist der „mörderische Existenzkampf mit unlauteren Mitteln. Auch ich werde von Früh bis Spät aus dunklem Hinterhalt angeschossen. Wäre dieser aufreibende Kampf nur ein ehrlicher. Sie können kaum ermessen, was ich an menschlicher Niedertracht zu schlucken habe, sogar von nächsten Freunden. Hoffentlich finden Sie nach erfolgter Säuberung den Anschluß an die große Presse. Man müßte sich um Sie reißen.“ Buesche war zwar Mitglied der NSDAP gewesen, aber alles andere als ein überzeugter Nationalsozialist. Beide sehen in dem katholischen Schriftsteller Reinhold Schneider ihren „herrlichen Wortführer“. 

Wenig später schreibt Buesche an Breker über den ersten deutschen Film „Die Mörder sind unter uns“ von Wolfgang Staudte, dem er „Selbstbemitleidung und Sentimentalität“ vorhält, „ein wahres Bukett deutscher Nationalfehler“. Zwei Monate später antwortet ihm Breker, er sei „den Exzessen erbarmungsloser Vernichtung schutz- und schonungslos ausgeliefert“, werde Verhören wegen „Weiberorgien“ und „Saufgelagen am laufenden Band“ unterzogen: „Eine entfesselte rasende Willensmaschine will ein ihr völlig fremdes Wesen vernichten.“ Im April 1947 wird Breker von einer Erkrankung der Schilddrüse geplagt und hat eine schwere Bronchitis hinter sich. Doch die Dokumente der Spruchkammer treffen ihn noch härter: „Mit Gift geladen, von Unkenntnis getrübt, mit einer Leichtfertigkeit ohnegleichen formuliert.“ Man wirft ihm vor, sich in „Ausschweifungen und Orgien ausgetobt zu haben“. 

Kein Trotz, aber auch keine Verbitterung oder Reue

An Buesche schreibt er: „Mir bleibt nur das Urfundament Antike und Christentum.“ Sein Fazit: „Im Grunde genommen gewährt die Demokratie keine größeren persönlichen Freiheiten als die vergangene Aera. Es wirkt sich das Dritte Reich unter dem Deckmantel ‘Demokratie’ lustig weiter aus, diesmal aber von den Antifaschisten praktiziert. Trotz aller christlichen Töne geht die geistige Demontage lustig weiter.“

Am 9. Januar 1969 schreibt Buesche: Die „Demagogie der Meinungsbildung“ sei „grausig“, das Leben habe etwas Gespenstisches bekommen. Überall nimmt er „Symptome des Verfalls“ wahr. In Brekers „Fall“ habe es im Frühjahr 1971 „der deutsche Blätterwald noch nicht fertiggebracht, über seinen Schatten zu springen“. An seinem letzten Werk arbeitet der Künstler bis zu seinem Tod am 13. Februar 1991. Es ist ein Selbstporträt, „das Bildnis eines unbeirrt auf ein in unbestimmter Ferne liegendes Ziel zusteuernden einsamen alten Mannes“. Es ist nicht Trotz, der aus Brekers Gesichtszügen spricht, aber auch keine Verbitterung oder Reue. Am Ende seines Lebens ist Arno Breker ganz bei sich selbst, und wie bei Ezra Pound ist ein „unergründliches, undurchdringliches Geheimnis spürbar, das der Bildhauer nicht preisgibt“ (Rainer Hackel).

Carola Breker, Rainer Hackel (Hrsg.): „Diesem Regime durfte man keine Denkmäler bauen …“ Der Briefwechsel zwischen Arno Breker und Albert Buesche. Verlag Traugott Bautz, Nordhausen 2018, gebunden, 216 Seiten, 25 Euro