© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/19 / 24. Mai 2019

Knapp daneben
Unwissenheit schützt vor Besteuerung nicht
Karl Heinzen

Das Geld, das der Staat den Menschen übrigläßt, geben sie häufig für ökologisch fragwürdige Zwecke aus. Jedes Nachdenken über neue Steuern findet daher bei Grünen quasi naturgegebene Unterstützer. Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern auch in Belgien. Dieses Land bietet seinen Bürgern zwar bereits die höchste Steuerbelastung Europas. Eine Vermögenssteuer wie in Frankreich gibt es aber noch nicht. Die grünen Parteien sehen hier Nachholbedarf. Vermutlich wittern sie dabei auch die Chance, ihrem Image entgegenzuarbeiten, sie wollten allein den Pöbel mit Abgabendruck an die Kandare nehmen, damit er seinen egoistischen Lebenshunger überwindet. Zu besteuern wären diesmal nämlich nur Privatvermögen in einem Wert von mehr als einer Million Euro.

Und was hat man zu diesem sogenannten Vermögen dazuzuzählen? Diese Fragen sollen der grünen Gesetzesinitiative zufolge durch ein Vermögenskataster geklärt werden. 

Keine Grenzen: Auch wer Kronkorken, Fußballwimpel oder Autoersatzteile sammelt, kann reich sein

Evident ist, daß in ihm insbesondere Bankguthaben, Wertpapiere, Unternehmensanteile, Lebensversicherungen und Immobilien zu erfassen sind. Viele Wohlhabende flüchten aber heutzutage in Sachwerte und sammeln irgend etwas, von dem sie meinen, es zu gegebener Zeit ohne Verlust weiterverkaufen zu können. Da solchen Leuten kein Steuerschlupfloch zu gönnen ist, plädieren die belgischen Grünen dafür, auch Weinkeller und Bibliotheken, deren Wert 5.000 Euro übersteigt, im Vermögenskataster zu erfassen.

Der Phantasie sollten hier aber keine Grenzen gesetzt sein. Auch wer Kronkorken, Bierdeckel, Fußballwimpel oder Autoersatzteile sammelt, kann dadurch beachtliche Reichtümer anhäufen. Zu berücksichtigen sind ferner immaterielle Vermögenswerte wie Bildung, Leumund und Beziehungen. Wer liest, studiert, auf Reisen Eindrücke sammelt, eine Sprache erlernt oder ein Netzwerk aus Bekannten aufbaut, schafft Humankapital, auch wenn er es gar nicht zu Erwerbszwecken nutzen will. Viele sind auf diese Weise reicher als sie es erahnen. Diese Unwissenheit sollte sie aber nicht vor Besteuerung schützen.