© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/19 / 31. Mai 2019

Risiken einzugehen, das kann sich die Deutsche Bank nicht leisten
Ohrfeige für Achleitner
Thomas Kirchner

Die schmale Dividende bleibt stabil. Die Peinlichkeit von Bayer, wo die Aktionäre den Vorstand nicht entlastet hatten, blieb der Deutschen Bank erspart. Zum Jubel trotzdem kein Anlaß. Aufsichtsratschef Paul Achleitner nur 71 Prozent der Stimmen, weniger als seine Kollegen. Vorstandschef Christian Sewing lag mit 75 Prozent kaum besser. Eine schallende Ohrfeige, doch es hätte schlimmer kommen können. Die US-Stimmrechtsberater Glass Lewis  und International Shareholder Services (ISS) hatten von einer Entlastung abgeraten. Damit stimmte ein Großteil der internationalen Anleger gegen Aufsichtsrat und Vorstand.

Der Oberösterreicher Achleitner steht weniger im Rampenlicht als die vier Vorstandsvorsitzenden, die sich unter seiner Aufsicht seit 2012 die Klinke in die Hand gegeben haben. Jeder neue Chef versucht einen Strategiewechsel – Revolution als Dauerzustand kennt man sonst eher aus sozialistischen Regimes, und wirtschaftlich nicht viel besser geht es der Bank. Sewings „harte Einschnitte“ werden nur neue Unwägbarkeiten bringen. Weg vom Investmentbanking und hin zum mehr traditionellen Geschäft begeistert die Leitartikler und Politiker, ist aber eine Worthülse, wenn er an Corporate Finance und dem Provisionsgeschäft festhält. Ganz ohne den Einsatz von Eigenkapital läßt sich dort kein Geld verdienen, zu groß ist die Konkurrenz. Auch das Herunterfahren des US-Geschäfts klingt wie „ein bißchen schwanger“.

Entweder man ist dabei oder nicht. Banken sind Dienstleister, die sich nur durch Personal und Bilanzsumme unterscheiden. Topleute arbeiten heute nicht mehr für die Deutsche Bank, bestenfalls als Zwischenstation. Achleitner sollte sich an die Schwierigkeiten erinnern, einen Nachfolger für John Cyron zu finden. Also bleibt nur noch die Bilanzsumme, doch Risiken einzugehen, das kann sich die Deutsche Bank nicht leisten. Ein Wunder, daß die Aktionäre soviel Geduld haben, obwohl die Aktie 93 Prozent unter ihrem Allzeithoch notiert.