© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/19 / 31. Mai 2019

Im mittleren Marktsegment läßt sich nur schwer Geld verdienen
Restaurantketten: Die Filialen des britischen Starkochs Jamie Oliver sind pleite / Deutsches Pendant Vapiano in Geldschwierigkeiten
Markus Brandstetter

Jamie Oliver ist in Großbritannien allgegenwärtig. Kein Tag vergeht, an dem der 44jährige nicht im Fernsehen kocht, vor Salz und Zucker warnt oder predigt, was Schulkinder essen und nicht essen sollten. Im Augenblick lächelt er in deutschen Supermärkten von bunten Flyern, auf denen er, von einer Rauchwolke umdampft, vor dem Gartengrill steht und brutzelt. Anders als verschmitzt lächelnd und dauerkochend kann man sich den kulinarischen Hansdampf in allen Gassen nicht vorstellen.

Dieser rastlose Fleiß hat dem kleinwüchsigen Briten bis jetzt mehr als gutgetan. In 20 Jahren hat Oliver 40 Millionen Kochbücher verkauft und ein Vermögen von 240 Millionen Pfund angehäuft. Aber jetzt muß die Restaurantkette des Briten, die unter den Namen Jamie’s Italian, Fifteen und Barbecoa 22 Restaurants auf der Insel betreibt, Insolvenz anmelden, 2.300 Mitarbeiter stehen auf der Straße.

Die Daily Mail hat nachgerechnet, daß Jamie mit seinen Restaurants in zehn Jahren fast 30 Millionen Pfund an Verlusten eingefahren hat, den Löwenanteil davon in den letzten drei Jahren. Obwohl der Koch 2017 aus eigenem Geld fast 13 Millionen Pfund in seine damals schon taumelnden Restaurants einschoß, hat das alles nichts genützt – die Kette hat seitdem Bankverbindlichkeiten und Lieferantenschulden von etwa 70 Millionen Pfund angehäuft, die durch private Bürgschaften Olivers besichert sind. Bei einem Jahresumsatz von 100 Millionen Pfund wird sie das nur schwer zurückzahlen können. Hinterher ist man natürlich immer schlauer, aber Branchenkenner hätten Oliver dieses traurige Ende schon vor Jahren prognostizieren können, denn mit Systemgastronomie läßt sich im mittleren Marktsegment – Stichwort Familienrestaurants – nur schwer Geld verdienen.

Diese Erfahrung macht gerade auch die deutsche Restaurantkette Vapiano. Irgendwie ist bei denen vieles wie bei Jamie in England: das Essen ist auch italienisch, alles ist wahnsinnig locker, gesund und lifestylig. Gekocht wird direkt vor den Gästen, die Extrawünsche ordern dürfen und dafür ihre eigenen Kellner spielen, denn bei soviel kulinarischer Wellness ist gutbürgerlicher Service fast schon überflüssig. Mit diesem Rezept hat Vapiano – trotz des Namens eine deutsche Gründung – seit 2002 231 Restaurants in 33 Ländern eröffnet, in denen 7.000 Mitarbeiter im Jahr 370 Millionen Euro erwirtschaften.

Weil praktisch jeder mediterrane Küche mag und Systemgastronomie davon lebt, daß die Betreibergesellschaft möglichst schnell möglichst viele Franchisenehmer findet, die viele genormte Systemrestaurants eröffnen, was Unsummen verschlingt, ist Vapiano vor drei Jahren an die Börse gegangen. Und am Anfang sah das ganz gut aus: Die Aktie wurde vor zwei Jahren zu 24 Euro an der Börse Stuttgart plaziert und hielt sich dann bis Jahresmitte 2018 auch in diesem Bereich. Aber dann kam der Absturz schnell und gnadenlos auf sechs Euro. Und da notiert die Aktie immer noch.

Was ist da passiert? Hauptsächlich drei Dinge: Die Gäste müssen viel zu lange aufs Essen warten, der Service am Tisch ist optimierungsfähig, und zu viele Restaurants befinden sich in schlechten Lagen. Der Hauptgrund dafür: In kurzer Zeit wurden zu viele Restaurants eröffnet, deren Betreiber die grundsätzlich hohen Qualitätsstandards der Kette nicht einhalten.

Vapiano hat 2017 und 2018 einen Verlust von über 30 Millionen Euro verbucht. Der soll jetzt durch Kreditzusagen aufgefangen werden, um die Firma zu stabilisieren. Ob das gelingt, ist mehr als fraglich, denn die Margen in der Systemgastronomie sind papierdünn, und die jetzt aufgenommenen Kredite müssen über Jahre abgestottert werden, was am Cash-flow zehrt und keinen Raum für künftige Rückschläge läßt.

 de.vapiano.com

 www.jamieoliver.com