© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/19 / 31. Mai 2019

Knapp daneben
Im Dunkeln ist gut munkeln
Karl Heinzen

Immer wieder hat sich Nina Meerkötter darüber ärgern müssen, wenn Medien über Promis herfielen, bloß weil diese ein wenig aus der Form geraten waren oder irgendwo Fältchen auftauchten, die man dort früher nicht sah. Als das Klatschjournal Inside kürzlich unter der Überschrift „Der nackte Beach-Horror“ in besonders perfider Weise über „Bauch-Blamagen“ und „Speck-Shows“ mutmaßlich berühmter Frauen lästerte, platzte der Mitarbeiterin des Berliner Radiosenders 98.8 Kiss FM der Kragen. Irgend etwas muß getan werden, um die Menschen von dem von Instagram & Co. aufgebauten Druck zu befreien, sie hätten einem angeblichen Schönheitsideal nachzustreben, dachte sie sich. Etwas Besseres als Ganzkörperporträts schießen zu lassen, auf denen man ihre Cellulite sieht, und diese dann online zu stellen, fiel ihr spontan allerdings nicht ein. Sich selbst beschreibt die 32jährige als „ganz durchschnittliche Frau mit Hosengröße 38 und T-Shirt-Größe M“, die zwar sportlich ist, aber dennoch ein bißchen Speck angesetzt hat. Was auf der Website ihres Senders zu sehen ist, gibt keinen Anlaß, diese Aussagen zu bezweifeln.

„Nimm deinen Körper, wie er ist“, lautet die Botschaft. Diese Schicksalsergebenheit muß ihr nicht schwerfallen.

„Nimm deinen Körper, wie er ist“, lautet die sozusagen philosophische Botschaft, die Nina Meerkötter mit ihrem Cellulite-Outing verknüpft. Diese Schicksalsergebenheit muß ihr nicht schwerfallen. In ihrem Beruf als Hörfunkmoderatorin kommt es eher weniger darauf an, wie jemand aussieht. Die meisten Berufstätigen arbeiten jedoch nicht im Verborgenen wie sie. Wer bei Aldi an der Kasse sitzt, als Arzt zur Sprechstunde empfängt oder als Lehrer vor einer Horde gehässiger Idiotinnen und Idioten steht, hat auf sein Erscheinungsbild zu achten und zumindest dafür zu sorgen, daß man sich bei seinem Anblick nicht übergibt. 

Hier zu scheitern, droht aber nur wenigen. Die meisten Menschen sind tolerant gegenüber Häßlichkeit, weil sie diese auch von anderen gegenüber ihrer eigenen erhoffen. Um so mehr richten sich alle Augen auf die Prominenz. Ihr darf niemand zugestehen, sich gehenzulassen. Wer von der Öffentlichkeit bewundert werden will, muß sich auch ihrem Urteil stellen.