Anna! Aan-naaa!“ Schallt es durch den Wald. Dann wieder: „Aannaa! Hier!“ Eine Ausgeburt an Gehorsam scheint Anna nicht zu sein. Mein Begleiter hebt kurz den Kopf und spitzt die Ohren – soweit sich Schlappohren  spitzen lassen –, aber schnell verschwindet die Schnauze wieder in den aufregenden Gerüchen des Wegrandes.

„Kommst du wohl zu Mami!“ ertönt nun die ultimative Aufforderung an die offenbar entwichene Anna. Da! Es raschelt im Gebüsch. Hechelnd und bellend kommt die Flüchtige hervor. Halb so groß wie mein Vierbeiner, sichtet sie den hübschen Jüngling und stürmt auf ihn los. Seufzend löse ich die Leine: Vollkommen sinnlos die 74-Kilo-Deutsche-Dogge festhalten zu wollen, wenn eine Dame so kokett auf Attacke geht. 

Doch da stürzt auch schon Frauchen herbei: „Ist das ein Rüde?“ – „Ja.“ – „Halten Sie ihn sofort fest! Anna ist läufig!“ Und „weg-läufig“, denke ich mir.

„Warum ist sie dann nicht angeleint?“ frage ich vorsichtig. „Sie braucht doch schließlich ihre Freiheit!“ wird empört erwidert. Ach so. Dann müssen die Dinge wohl in Freiheit ihren Lauf nehmen.

Nach einem vorwurfsvollen Blick in meine Richtung trottet er zur Hundewiese

Als Anna sich jedoch nach Hunde-Damen-Art plötzlich zickig zeigt gegenüber dem nun hochinteressierten Bewerber, wird sie endlich von Frauchen erwischt und beide stieben, auf ihre je eigene Weise schimpfend, davon. „Sultan, sitz!“ Beleidigt, aber überaus artig bewegt der Angesprochene sein Hinterteil im Zeitlupentempo Richtung Erdboden. Ein Vorgang, der meist 20 Zentimeter vor Erreichen des Ziels endet. Sabbernd und enttäuscht wirft er einen letzten Blick auf das weibliche Duo, einen vorwurfsvollen auf mich und trottet dann ergeben zur Hundewiese.

Dort stolziert er zwecks Reviermarkierung zunächst in Richtung Baumgruppe, bevor er seine versammelten Untertanen gnädig mit einem huldvollen Wedeln begrüßt – wie es sich eben für einen „Herrscher“ mit Manieren gehört.