© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/19 / 07. Juni 2019

House of Kärtle
AfD II: In Baden-Württemberg ist der Landesvorstand heillos zerstritten / Keine Klärung auf dem Parteitag / „Privater Rachefeldzug gegen Alice Weidel
Christian Vollradt

Für die Beschreibung der Lage in der baden-württembergischen AfD nach dem Parteitag am vergangenen Wochenende wählte einer der Teilnehmer ein drastisches Bild: „Wie Flandern im Ersten Weltkrieg.“ Mit anderen Worten: Die Gegner liegen unversöhnlich in ihren Stellungen, verschießen Unmengen an Munition, doch weder die eine noch die andere Seite kann erfolgreiche Geländegwinne verzeichnen. Stattdessen nur Verwundete, Elend, Stillstand...

Schon im Vorfeld der Zusammenkunft in Pforzheim wurde den meisten klar, daß eine gedeihliche Zusammenarbeit innerhalb des erst im Februar gewählten Vorstands (JF 10/19) schwer bis unmöglich sein könnte. Über die E-Mail-Verteiler der Landespartei gingen diverse Stellungnahmen und Gegen-Stellungnahmen an die Basis – und die Presse. Der Riß in der Führung wurde klar. Auf der einen Seite der Landesvorsitzende Bernd Gögel gemeinsam mit den anderen Vorstandsmitgliedern Marc Jongen, Thilo Rieger, Peter Gremminger, Dieter Amann, Marc Bernhard und Vera Kosova. Ihnen gegenüber der Co-Vorsitzende Dirk Spaniel sowie Schatzmeister Frank Kral. 

Deutlichere Worte von der Parteispitze erhofft

Letztere hätten, so der Vorwurf der Vorstandsmehrheit, von Anfang an „ihre ganze Kraft nicht dem Wohl der Gesamtpartei“ gewidmet, sondern nur das Ziel verfolgt, Vorstand und Landesgeschäftsstelle unter ihre Kontrolle zu bringen. Zu diesem Zwecke versuchten sie nach Überzeugung der anderen Vorstandsmitglieder die angestellte Landesgeschäftsführerin Anastasija Koren „durch Schikanen“ loszuwerden. Auf ihren Posten lauere der derzeitige Schatzmeister, lautet der in einem Schreiben geäußerte Verdacht. Kral, einst verantwortlicher Mitarbeiter für Finanzen in der AfD-Bundestagsfraktion, war im vergangenen Jahr entlassen worden, nachdem die Fraktionsspitze bei einer internen Prüfung Unregelmäßigkeiten festgestellt hatte. 

Spätestens seitdem führe der schon im vorherigen Landesvorstand amtierende Kassenwart einen „privaten Rachefeldzug“ gegen die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion Alice Weidel. „Herr Kral ist mit dafür verantwortlich, daß die Presse Kontoauszüge des Bodenseekreises veröffentlichte“, werfen ihm die Vorstandskollegen vor. Gestützt wird die These von der Miturheberschaft Krals an dieser Spendenaffäre durch eine eidesstattliche Versicherung der Landesgeschäftsführerin Koren. Darin berichtet sie davon, Kral und der frühere, inzwischen aus der AfD ausgetretene, Landeschef Ralf Özkara hätten 2018 in der Parteigeschäftsstelle einem Journalisten Unterlagen vorgelegt, um „eine Bombe“ platzen zu lassen.  

Während Spaniel und Kral sich als Opfer einer Verleumdungskampagne sehen, halten andere parteiinterne Beobachter den offenen Brief ihrer Gegner für gerechtfertigt: als letzte Möglichkeit, die Basis über das Treiben hinter den Kulissen wachzurütteln.  Zumal Teilnehmer des Mitgliederparteitags ohne jegliche Vorkenntnisse die Lage zusätzlich erschwerten. Als Würze in der Schlammschlacht verbreiteten manche AfD-Politiker dann noch in den vielgenutzen sozialen Netzwerken Gerüchte über tatsächliche oder angebliche amouröse Beziehungen im gegnerischen Lager. „Wie in der Serie ‘House of Cards’“, so ein führendes Mitglied entnervt, „nur in der schwäbisch-spießigen Variante“. Bleibe es bei dieser beschämenden Vorstellung, „war es das mit dem Projekt, Deutschland positiv zu verändern“, so das desillusionierte Resümee. Wortgefechte und wechselseitige Abwahlanträge – allesamt ohne eine notwendige Mehrheit – auf dem Parteitag machten die Sache nicht einfacher. Bundesvorstandsmitglied Alice Weidel unterstützte die Forderung nach einer Mediation zur Streitschlichtung; andere halten das für wenig erfolgversprechend – und hätten sich deutlichere Worte von der Parteispitze „gegen die Quertreiber“ gewünscht. AfD-Chef Jörg Meuthen, der sich beim Parteitag in Heidenheim trotz Buh-Rufen noch entsprechend geäußert hatte, war diesmal in Pforzheim nicht erschienen.  

Es bleibt also zunächst beim Patt. Nächste Etappe ist die Kreissprecher-Tagung im Juli. Ungewiß, ob die Zeichen auf Materialschlacht oder Grabenkampf stehen.