© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/19 / 07. Juni 2019

Streit belebt Salvinis Geschäft
Italien: Die Streitigkeiten der Regierungspartner Lega und M5S erzürnen Premier Conte
Marco F. Gallina

Eigentlich hatte die italienische Regierung diese Woche etwas zu feiern: seit einem Jahr ist die Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und Lega im Amt. Doch Premierminister Giuseppe Conte sprengt am Montag abend die Party, bevor diese beginnt. Der unabhängige Jurist an der Spitze der Regierung stellt beiden Koalitionspartnern ein Ultimatum. „Wenn nicht klar Verantwortung übernommen wird, wie von mir gefordert (...), gebe ich das Mandat zurück in die Hände des Staatspräsidenten.“ Und weiter: „Die politischen Kräfte der Mehrheit müssen sich ihrer Verantwortung im klaren sein.“ 

Die Drohung ist klar. Der ewige Streit zwischen den beiden Vizepremiers – Luigi Di Maio vom M5S und Matteo Salvini von der Lega – hatte im Wahlkampf groteske Züge angenommen, die eher an den Schlammwahlkampf von Oppositionsparteien erinnerten. 

Die Kräfteverhältnisse haben sich verschoben 

Zugleich hebt Conte auch die bisherigen Erfolge hervor und wertet die Wahlergebnisse der Lega als Bestätigung der Regierungslinie. „Die Italiener rufen uns zur Fortsetzung unserer Arbeit auf, und wir müssen mit höchster Konzentration weiterarbeiten.“ Ein Schwerpunkt müsse dabei auch die Einhaltung der EU-Regeln sein – ein Thema, bei dem sich traditionsgemäß beide Parteien schwertun. Ohne „loyale Zusammenarbeit“ sei die Herausforderung aber nicht zu bewältigen.

Zwar gehört der Koalitionskrach zwischen den Populisten von links und von rechts mittlerweile zum guten Ton. Doch nach den EU-Wahlen vom 26. Mai ist Italien ein anderes Land. Die Kräfteverhältnisse von Lega und M5S haben sich umgekehrt. Die Partei von Di Maio ist im Parlament zwar mit deutlich mehr Abgeordneten vertreten und weiterhin der Seniorpartner der Koalition, aber die Angst vor Neuwahlen und einer Kannibalisierung des M5S machen den Vizepremier erpreßbar. 

Salvinis Umfragewerte reichen dagegen dafür aus, ohne Silvio Berlusconis Forza Italia regieren zu können – wären am nächsten Sonntag Wahlen in Italien, reichte eine Koalition mit den nationalkonservativen „Brüdern Italiens“ von Giorgia Meloni.

Es ist dieses Damoklesschwert des übermächtigen Salvini, das Conte fürchtet. Bereits am Tag nach der EU-Wahl, als die Lega rund 35 Prozent erreichte, wies der Innenminister Spekulationen zurück, die Regierung verlassen zu wollen, um Neuwahlen anzustreben. Zugleich pochte der Lega-Chef auf Steuersenkungen und den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsstrecken (TAV). Der Ausbau der Eisenbahn ist eines der Reizthemen des Koalitionspartners. Bei der Regionalwahl im Piemont, die am Tag der Europawahl stattfand, gewann die Lega zusammen mit einem Bündnis, das sich für die TAV engagierte. Conte hatte bereits in der Vergangenheit immer wieder solche Ressortüberschreitungen des Innenministers kritisiert. Überflüssig zu erwähnen, daß Salvini sich zugleich nicht an EU-Regeln gebunden sieht, da er die Wahl als Blankoscheck seiner „Italien zuerst!“-Politik interpretiert.

Kein persönliches Treffen, kein Anruf folgte auf Contes Drohung; Di Maio wie Salvini beließen es bei einer Antwort in den Sozialen Medien. Während Di Maio ein Ende der „Angriffe auf M5S-Minister“ forderte, führte Salvini neuerlich die Schlüsselpunkte des Lega-Programms auf: mehr Autonomie für die Regionen, mehr Unterstützung für Familien, Einführung der Flat-Tax, Auflösung von Brüsseler Fesseln. Wahlkampfparolen, die der Lega-Chef ins Internet sendet, schließlich sind am Sonntag Stichwahlen in wichtigen Städten. 

Vielleicht hält sich Salvini aber auch nur warm, sollte es doch noch zum Bruch der Koalition kommen. Dann müßten die Italiener nämlich schon im September an die Wahlurne.