© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/19 / 14. Juni 2019

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Es gibt sie noch, die teuren Dinge
Paul Rosen

Manche Dinge überstehen Kriege und Krisen, Grenzziehungen und Maueröffnungen. Dazu gehört die sogenannte Ministerialzulage, die alle Beschäftigten in Ministerien und obersten Bundesbehörden jeden Monat zusätzlich zum Gehalt bekommen. Wie lange es sie schon gibt, ist unklar. Der Bund der Steuerzahler spricht von einem „aus der Weimarer Zeit stammenden Relikt“; mündliche Überlieferungen in Berliner Behörden besagen, es habe diese Zulage schon zu Kaisers Zeiten gegeben, damit sich die Beschäftigten in den Ministerien besseres Schuhwerk und ordentliche Kleidung hätten kaufen können, um nicht auszuschauen wie manche Gäste in Berliner Eckkneipen. 

Solche Eckkneipen muß man inzwischen suchen, aber die Ministerialzulage erfreut weiter ihre Bezieher, egal ob Beamter, Angestellter oder Arbeiter im öffentlichen Dienst. Einzige Voraussetzung:  Er muß in einer obersten Bundesbehörde  tätig sein. Gleichgestellt sind Beschäftigte der Bundestagsverwaltung und der obersten Gerichte. Selbst wenn um die Reduzierung von Beamten-Privilegien vor Gericht gestritten wurde, kam die Ministerialzulage jedesmal davon. Weitgehend abgeschafft wurde sie dagegen in den Ländern, als die früher bundeseinheitlichen Beamtenbesoldungsregeln mit Regionalklauseln geöffnet wurden. Nur Bayern zahlt so eine Zulage noch. Als der Bundesfinanzhof einmal wirklich kein schlüssiges Argument mehr für die bis in die siebziger Jahre hinein geltende Steuerfreiheit der Zulage finden konnte, wußten findige Ministerialjuristen in Bonn einen Ausweg: Die Zulage wurde kurzerhand verdoppelt. Alle hatten trotz Steuer sogar mehr als vorher. 

Besonders hoch ist die Zulage nicht. Sie beträgt 12,5 Prozent der 1975 geltenden Besoldungssätze. Denn wenige Jahre nach den besoldungsrechtlichen Eskapaden der Verdoppelung wegen Aufhebung der Steuerfreiheit wurde sie eingefroren und variiert zwischen 72,48 und 552,76 Euro im Monat. Den Höchstbetrag bekommt ein Staatssekretär neben seinem Monatsgehalt von 14.160 Euro, kritisiert der Bund der Steuerzahler, der die Zulage streichen lassen will, was die Bundeskasse um 44 Millionen Euro pro Jahr entlasten würde. 

Zu rechtfertigen ist die Zulage auch nicht mehr: Für 72,48 Euro, von denen netto etwas mehr als die Hälfte bleiben dürfte, kann man sich nicht einmal bei Billigausstattern wie Primark am Alexanderplatz neu einkleiden, und der Staatssekretär hat bei der Höhe seines regulären Gehalts keine Zulage nötig. Auch ein vom Deutschen Beamtenbund nachgeschobenes Argument, die Zulage „dient der Gewinnung qualifizierten Personals und der pauschalen Abgeltung besonderer zeitlicher und dienstlicher Beanspruchung“, überzeugt nicht so richtig. 

Denn mit rund 70 Euro brutto läßt sich kein qualifiziertes Personal nach Berlin holen – die exorbitant gestiegenen Mieten lassen Wohnen oft nur noch in Gemeinschaftsunterkünften zu. Die gestiegenen Mietkosten – man ahnt es schon – werden bald Forderungen auslösen, die eingefrorene Zulage aufzutauen und endlich kräftig anzuheben. In Bayern ist das übrigens schon passiert.