© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/19 / 14. Juni 2019

Den Rechten die Show gestohlen
Dänemark: Der Kurswechsel zahlt sich für die Sozialdemokraten aus / Schwierige Balance zwischen Links- und Rechtsblock
Christoph Arndt

Schock für den Rechtsblock. Die Wahl zum Folketing am 5. Juni brachten den Regierungswechsel, nachdem das bürgerliche Lager aus rechtsliberaler Venstre, der Dänischen Volkspartei (DF), der liberalen Allianz (LA) und den Konservativen (K) seine Mehrheit deutlich verlor und nur noch 75 der 179 Mandate erringen konnte. Die Sozialdemokraten erreichten trotz leichter Verluste zusammen mit den anderen linken Parteien eine Mehrheit von 91 der 179 Mandate. Der Wahlkampf schloß direkt an die Wahl zum Europaparlament an und war von den Themen Klima, Zuwanderung und Regierungsbildung geprägt, da viele politische Analysten eine schwierige Regierungsbildung aufgrund des sich fragmentierenden Parteiensystems mit nun insgesamt zehn Fraktionen im Folketing erwarteten.

Eine zweite Rechtspartei sitzt nun im Parlament  

Von der Klimadebatte konnten die sozialliberale Radikale Venstre (RV) und die Sozialistische Volkspartei (SF) profitieren, die ihre Fraktionsgröße verdoppelten nachdem sie im Wahlkampf eine klimapolitische Wende verlangt hatten. Somit ist der sogenannte rote Block aus Sozialdemokraten, RV, SF und der linksradikalen Einheitsliste nicht auf die nordatlantischen Mandate und die als lagerunabhängig angetretene grün-linke Alternative angewiesen. Neue Ministerpräsidentin wird damit die Vorsitzende der Sozialdemokraten, Mette Frederiksen, die bereits von der Königin mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt wurde und somit Lars Løkke Rasmussen (Venstre) als Regierungschef ablöst.

Umfragen hatten einen solchen Regierungswechsel bereits angedeutet, allerdings überraschten die deutlichen Verluste der Dänischen Volkspartei. Sie stürzte von 21,1 auf 8,7 Prozent ab und konnte nur äußerst knapp den dritten Platz vor der sozialliberalen Radikale Venstre halten. Dies markierte das schlechteste Resultat der erfolgsverwöhnten Partei seit 1998. Ebenfalls vom Wähler abgestraft wurde die Liberale Allianz, die zwei Drittel ihrer Wähler verlor und mit 2,3 Prozent nur knapp den Wiedereinzug in das Folketing sichern konnte – in Dänemark gilt eine Zweiprozentklausel.

Beide Parteien lieferten sich während der Legislaturperiode permanente Auseinandersetzungen, da die DF als Tolerierungspartner die oft ultimativen Forderungen der LA in der Steuerpolitik ablehnte und die LA versuchte, die anderen Regierungsparteien Venstre und Konservative mit Neuwahlandrohungen zu erpressen, falls ihre Wahlkampfversprechen, insbesondere die Senkung des Spitzensteuersatzes, nicht umgesetzt würden. Somit trat der blaue Block in der Öffentlichkeit oft gespalten auf.

Die DF konnte zusammen mit Ven-stre viele Kernforderungen wie etwa das Burkaverbot oder das Maßnahmenpaket gegen Parallelgesellschaften (Ghettopakke) in dieser Legislaturperiode umsetzen, wurde aber aufgrund des Dauerstreits im blauen Block und eines während der gesamten Legislaturperiode köchelnden Finanzskandals dennoch abgestraft.

 Sie verlor Wahlanalysen zufolge in drei Richtungen – ein Teil der Wähler ging zurück zur Venstre, ein anderer Teil ging an die neu angetretenen Rechtsparteien Nye Borgerlige und Stram Kurs, und ein dritter Teil wechselte das Lager und unterstützte die Sozialdemokraten.

 Mit Nye Borgerlige (Neue Bürgerliche), die im Gegensatz zur extremeren Stram Kurs die Zweiprozenthürde überwinden konnte, gibt es zum ersten Mal seit der Legislaturperiode 1994–1998 wieder eine weitere Rechtspartei neben der DF. Venstre konnte einen Teil der Wähler, die sie bei der letzten Wahl 2015 an DF verlor, zurückgewinnen und wurde mit 23,4 Prozent wieder die stärkste Partei im bürgerlichen Lager.

Die Sozialdemokraten wurden somit für ihren Kurswechsel in der Asyl- und Zuwanderungspolitik belohnt und können nun erstmals seit der Wahl 1998 wieder mit einer eigenständigen und relativ deutlichen linken Mehrheit regieren. Kommentatoren verwiesen in diesem Zusammenhang auch auf die taktischen Manöver des DF-Vorsitzenden Kristian Thulesen Dahl, der im Herbst 2018 eine Zusammenarbeit der DF mit den Sozialdemokraten ins Spiel brachte und somit den Kurswechsel der Sozialdemokraten für die Wähler glaubwürdig machte. 

DF-Wähler, die aufgrund des ständigen Streits im blauen Block unzufrieden waren, brauchten somit einen Regierungswechsel nicht mehr zu befürchten, da die Sozialdemokraten die Beibehaltung der restriktiven Zuwanderungspolitik versprachen. Intern kam zudem nach der Wahl Kritik an der zu sozialpolitisch ausgelegten Strategie der DF unter Thulesen Dahl auf, die den Flirt mit den Sozialdemokraten begleitete.

Es drohen schwierige Tolerierungsgespräche  

Die zukünftige Ministerpräsidentin Mette Frederiksen strebt eine Einparteien-Minderheitsregierung an, die in sozialpolitischen Fragen mit den Mandaten des linken Blocks regiert und in innen- und zuwanderungspolitischen Fragen mit den Mandaten der bürgerlichen Parteien.

Hier warten allerdings schwierige Koalitions- und Tolerierungsverhandlungen auf die Sozialdemokraten, da alle anderen linken Parteien eine liberalere Asyl- und Zuwanderungspolitik wollen und bereits ultimative Forderungen wie die Abschaffung des niedrigeren Sozialhilfesatzes für nicht westliche Zuwanderer für die Tolerierung einer Frederiksen-Regierung stellten. 

Gerade in ökonomischen Fragen liegen zudem Welten zwischen den marktliberalen Vorstellungen der Radikalen Venstre und der linkssozialistischen Politik der Einheitsliste.

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